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PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds

PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds

Titel: PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Themsen
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Härte schlagen.
    Das Biest bewegte sich langsamer, zögerlicher als am Tag zuvor. Immer wieder gingen Wellen durch den Gallertkörper, die zur Grube zurückwiesen.
    Sharmila trat ihm einen Schritt entgegen.
    Es zuckte zurück.
    Hinter Sharmila begann jemand in dem Rhythmus zu klatschen, den sie am Vortag gelernt hatten. Weitere fielen ein. Bald hallte der Raum davon wider.
    Sharmila sah zur Seite. Die Hand des Regenten stand hinter der Trennwand, blass vor Wut, mit zusammengepressten Lippen. Stiqs Bahroff hatte den Blick gesenkt. Hinter ihnen sprach der Celista in sein Kommunikationsgerät.
    Tumult brach hinter Sharmila aus. Sie drehte sich um.
    Wärter waren in die Reihen der Menschen eingedrungen und hinderten die Gefangenen am Klatschen. Einige Celistas waren unter ihnen und verteilten Schläge und Schocks. Schreie, Flüche und Bitten erfüllten die Luft. Einige wehrten sich, obwohl sie keine Chance hatten. Andere klatschten unermüdlich weiter.
    Sharmila ging auf die Trennwand zu und hob die Hände.
    »Ruhe!«, rief sie mit der Stimme, mit der sie schon von Bühnen herunter gesprochen hatte. »Hört auf!«
    Der Tumult ebbte ab. Ihre Kameraden ließen ihre Hände sinken und stellten alle Gegenwehr ein, um sie zu hören. Die Wärter zögerten noch, zogen sich dann aber einer nach dem anderen wieder zur Wand zurück.
    »Gebt ihnen keinen Anlass, euch noch mehr zu misshandeln«, beschwor Sharmila ihre Leidensgenossen, mit denen sie in den vergangenen Wochen so vieles geteilt hatte. »Das hier ist nicht zu ändern, und ich heiße es willkommen. Bewahrt euch eure Energie! Ihr werdet sie für anderes brauchen.«
    Es wurde plötzlich sehr still. Und in diese Stille hinein drang ein Geräusch, das niemand erwartet hätte.
    Beatboxing.
    Sharmila fuhr herum. Ungläubig starrte sie auf das Gallertwesen. Sie fühlte sich in ihren Traum der letzten Nacht zurückversetzt. Oder war es gar kein Traum gewesen?
    Drei Münder hatten sich in dem Gallert geformt, aus denen es knatterte, summte und pfiff. Es klang unbeholfen wie ein Kind, das sich das erste Mal am Beatboxing versuchte. Aber es war unverkennbar der Versuch, die Musik wiederzugeben, die er vor Monaten für sie für eine Kuchipudi-Sequenz eingespielt hatte.
    »Mahesh«, flüsterte Sharmila. Sie ging einen Schritt auf das Wesen zu. Erneut wich es zurück, streckte aber gleichzeitig mehrere Pseudopodien nach ihr aus.
    Sharmila atmete tief durch. Sie nahm das Murmeln der Gefährten hinter der Trennwand nicht mehr wahr, hörte nur noch ihren eigenen Herzschlag und den Rhythmus des Beatboxing.
    Mahesh.
    Tänzerisch trat sie einige Schritte zurück, ging leicht in die Knie, nahm Anlauf und sprang. Fast dreihundert Menschen und drei Münder schrien, als die Pseudopodien sie umschlangen und in das Innerste des Wesens zogen.
    Als der Schmerz sie erreichte, schrie auch Sharmila mit dem letzten Rest Luft, der noch in ihren Lungen war. Dann brannten diese wie Feuer. Sie spürte, wie sie ausgesogen wurde, während ihr Körper sich in den flammenden Schmerzen wand, wie ihre Erinnerungen und ihr Geist gestohlen wurden, bis nur noch Leere blieb.
    Sie starb.
    Und wurde wiedergeboren.

7.
    Hela Ariela
     
    Das Leben hält so lange immer wieder Enttäuschungen für einen bereit, wie man nicht aufhört zu hoffen. Manchmal habe ich mich daher schon gefragt, ob ich ab dem Moment, da ich das Kuckucksei auf meiner Brust überreicht bekam, besser dem Spruch gefolgt wäre, den ein guter Freund von mir später für das Höllentor prägte: »Lasciate ogni speranza, voi ch' entrate!« – Lasst ab von aller Hoffnung, wenn ihr eingetreten.
    Aber wäre es dann noch Leben? Welche Ironie, wenn das Tor zum ewigen Leben eben das Leben selbst ausschließen würde. Also ziehe ich es vor, die Enttäuschungen anzunehmen, sie beiseitezulegen und weiter für meine Hoffnungen zu leben. Immerhin habe ich womöglich noch ein paar Tausend Jahre für sie Zeit.
    Für einige Dinge läuft mir die Zeit allerdings davon. Zum Beispiel dafür, herauszufinden, was mit mir in den Jahren zwischen meinem Verlassen der Erde und der Ankunft auf Topsid passiert ist. Solange ich das nicht weiß, kann ich die Möglichkeit nicht ignorieren, dass ich eine tickende Bombe bin, ein Schläfer.
    Und solange ich nicht weiß, ob ich im nächsten Moment explodiere, darf ich niemanden zu nahe kommen lassen, egal wie sehr ich mich danach sehne, der langen Einsamkeit zu entkommen.
     
     
    Reise ins Nichts
     
    Die Helligkeit blendete ihn für

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