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PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds

PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds

Titel: PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Themsen
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einen Moment, als er aus der Halle trat. Hela Arielas Licht war deutlich greller als das der irdischen Sonne – gar nicht zu reden von der rötlichen Sonne Arkons.
    Ein Vergleich, den du nach all den Jahrtausenden nur noch dank des unfehlbaren Gedächtnisses ziehen kannst, das du so gerne verfluchst.
    Atlan ignorierte die Anmerkung seines Extrasinns. Er wusste auch so, dass das mit der Aktivierung bestimmter Gehirnregionen einhergehende eidetische Gedächtnis ihm oft von Nutzen gewesen war. Dennoch – bei der Entwicklung des Prozesses hatte niemand jemals darüber nachgedacht, was für Folgen es bei einer Lebensspanne wie seiner haben konnte, nichts zu vergessen. Wer hätte auch geglaubt, dass es dazu käme?
    Er hatte Wege gefunden, die Probleme zu umgehen, doch sie waren unzweifelhaft da, und manchmal schlugen sie zu Unzeiten zu.
    Rechts, zwischen den Jamirah-Stauden hindurch.
    Er ging im Schatten des Gebäudes auf die Staudenbeete zu und tauchte darin ein. Schlanke, von schmalen Blättern umwundene Stängel ragten mehr als mannshoch auf und verbargen ihn vor neugierigen Augen aus der Halle. Aus den Trauben flammend orangefarbener Blütenkelche an den Spitzen rieselte roter Staub auf den gewundenen Grasweg, dem er folgte. Etwas mit langen Beinen und vier bunten Flügeln sirrte an Atlan vorbei und verschwand in einem der Kelche.
    Da, der Blaustern-Baum.
    Der Baum verlieh seinem Namen alle Ehre. Aus Verdickungen an den Enden der knorrigen, faltenreichen Äste und Zweige sprossen nach allen Richtungen lange, eingerollte Blütenblätter und formten faustgroße Blütenstände, die von farbenfrohen Insektenarten umschwirrt wurden. Blätter waren keine zu sehen. Womöglich fand die Fotosynthese über die Blüten statt.
    Atlan verließ den Weg und bewegte sich vorsichtig durch die Stauden, um ohne verräterische Schäden an den Pflanzen direkt zu dem Baum zu gelangen. Von hier folgte er den Löchern einer Beregnungsanlage zu einem Mayurenlabyrinth, auf dessen Felsen sämtliche Farben vertreten waren, in denen dieses Flechtengewächs auftrat.
    Er ging unter Honigregen hindurch, der von Vogelgesang widerhallte, folgte einem gewundenen Foli-Beet, dessen schwere Düfte zum Entspannen einluden, und überquerte mit einem langen Schritt einen Bach voller huschender Schatten.
    Unwillkürlich fühlte er sich an andere Landschaftsanlagen erinnert, die er vor langer Zeit durchstreift hatte.
    Crysalgira hätte das hier definitiv gefallen. Nicht auszuschließen, dass sie sogar bei der Entstehung die Finger mit im Spiel hatte. Sie ist oft genug hier vorbeigekommen.
    Am Ende eines Baumhains kamen zum ersten Mal zwei der ohne erkennbares Muster um die Sternenhalle verstreuten Gebäude zum Vorschein. Weiße, fensterlose Mauern schimmerten im Sonnenlicht bläulich und reflektierten das Licht in die Baumschatten hinein. Die Häuser waren aus Würfeln zusammengesetzt, deren Anordnung allerdings ähnlich willkürlich wirkte wie die Verteilung der Gebäude. Die meisten der Würfel schlossen mit einem flachen Dach ab. Jedes Gebäude hatte aber mindestens eine schwarze Kuppel wie die der zentralen Halle aufzuweisen, wenn auch kleiner.
    Atlan orientierte sich. Die Anordnung der Würfel hatte an der Seite des rechten Gebäudes eine schattige Nische erzeugt. Nachdem er sich mit einem Blick vergewissert hatte, dass niemand ihn beobachtete, huschte er über das Gras in die Nische. Wie angekündigt dort, wo die unteren Würfel sich eigentlich berühren sollten, ein Durchgang. Dahinter herrschte Schwärze.
    Der Arkonide ließ sich mit dem Eintreten Zeit. Er achtete genau auf alle Umgebungsgeräusche und gab seinen Augen die Gelegenheit, sich an die zunehmende Dunkelheit anzupassen. Als er die Öffnung erreichte, stellte er fest, dass es im Inneren nicht völlig dunkel war. Lichtreflexionen erzeugten ein Dämmerlicht, in dem er vage eine schwarz gekleidete Gestalt erkennen konnte, die am anderen Ende des Korridors stand.
    »Nur die Sterne sind ewig«, grüßte sie ihn mit einer angenehmen Altstimme.
    »Falsch. Auch Sterne können fallen. Und wenn sie es tun, tun sie es tief«, antwortete Atlan.
    »Wohl wahr. Kommen Sie!«
    Die Gestalt verschwand und gab den Blick auf einen helleren Raum frei. Atlan folgte dem Gang und trat ein. Leuchtpunkte und -striche waren wie Farbspritzer über Wände und Decke des ganzen Raumes verteilt und schimmerten in unterschiedlicher Helligkeit. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sie sich als die Enden von transparenten Fasern

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