PR NEO 0046 – Am Rand des Abgrunds
hatte die Fäden beiseitegeschoben oder zusätzliche eingefügt.
Endlich begriff sie.
Schriftzeichen in Interkosmo.
Sharmila hielt die Luft an. Alle, die auf die TOSOMA gegangen waren, hatten die Möglichkeit bekommen, Schnellkurse zu verschiedenen Themen bezüglich arkonidischer Kultur zu belegen. Sie hatte die Möglichkeit wahrgenommen, die Schriftzeichen zu erlernen. Das Gelernte hatte sie sowohl während der Reise als auch hier angewendet und geübt, wo immer die Gelegenheit sich geboten hatte – eine der wenigen Abwechslungen, die der Alltag bot. Es musste den Wärtern aufgefallen sein. Nun las sie leise die Töne ab und lauschte auf das, was ihr Translator daraus machte. Es würde vielleicht keine perfekte Übersetzung werden, aber der Sinn sollte erkennbar sein.
Imperium böse. Feinde von Imperium unsere Freunde. Wir helfen. Vertrauen.
Sie blinzelte und sah auf, suchte den Blick des palorischen Wärters, der sie und die Wachen hergeführt hatte. Er aktivierte eben das Kraftfeld, das ihren neuen Raum verschloss. Kurz begegnete er ihrem Blick, sah dann auf die Seide und nickte kaum merklich, ehe er ging.
Sharmila stand auf und wickelte den Sari so um sich, dass die eingefügten Buchstaben im Inneren des Kopftuchs saßen.
»Sarah«, sagte sie dabei, »ich hatte unrecht. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Womöglich überleben doch welche von uns und erzählen unsere Geschichte.«
Stumm trat Sarah neben Sharmila, legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Die Inderin lehnte den Kopf an sie und schloss die Augen. Es wurde Zeit, wieder Kräfte zu sammeln.
Sergh da Teffron musterte die Darstellung des Speisesaals. Die Menschen unterhielten sich leise, während sie den kargen Brei in sich hineinschaufelten. Eine junge Frau ging zwischen den Reihen hindurch und unterhielt sich nacheinander mit mehreren Gefangenen.
»Ist das nicht diese Tänzerin?«, fragte er Bahroff. »Die auf diesen seltsamen Gesang des Mannes getanzt hat, bevor er vom Biest gefressen wurde?«
Bahroff kam heran und musterte lange die Darstellung. »Das ist sie«, sagte er.
»Sie schien sehr an ihm zu hängen. Sollte sie nicht von Trauer überwältigt sein oder so etwas?«
Der Halbarkonide machte eine unbestimmte Geste. »Wer soll diese Menschen schon verstehen?«
»Ich dachte, ich würde gerade damit anfangen«, antwortete da Teffron mit einem Stirnrunzeln. »In allen anderen Fällen waren die Freunde der Opfer entweder wütend oder zogen sich zurück, um zu trauern. So etwas habe ich vorher noch nicht gesehen. Es scheint eher, als würde sie die anderen trösten, als dass sie Trost sucht.«
»Vielleicht ist sie stärker als die anderen.«
»Vielleicht.« Da Teffron stach mit dem Finger in das Holo. »Und damit, denke ich, haben wir das Testobjekt für morgen gefunden.«
»Denken Sie wirklich, das ist eine gute Wahl? Viele Menschen scheinen sie zu mögen. Es könnte einen weiteren Aufstand auslösen.«
»Und wennschon. Wir brauchen jemanden, der lange genug kämpft, dass die Bilder erfassbar bleiben. Später, wenn wir geübter darin sind, mag sich das ändern, aber jetzt ist es wichtig. Und wenn sie noch einen Aufstand probieren wollen, sollen sie doch. Der letzte war den Celistas ohnehin viel zu schnell vorbei. Sie würden sich über eine Gelegenheit zum Spielen freuen.« Er sah Bahroff an. »Und du sicher auch, oder?«
Der Assistent nickte eine Spur zu langsam. »Doch. Natürlich.«
Da Teffron rieb seinen Ring. »Diese Menschen wachsen dir doch nicht etwa ans Herz?«, spottete er.
Bahroff schüttelte den Kopf. »Nein. Ich mache mir nur Sorgen, wie es weitergehen soll, wenn wir von den anderen auch nichts erfahren. Oder wenn wir zufällig gerade den bei einem Aufstand töten, der die Kenntnisse gehabt hätte, die wir brauchen.«
»Bei dreihundert Leuten kann das nicht nur einer sein. Aber ich glaube ohnehin nicht, dass es zu einem weiteren Aufstand kommt. Die Gefangenen haben gesehen, dass sie damit nichts erreichen können, sondern ihre Lage nur verschlimmern. Gib den Wachen Bescheid, damit sie alles vorbereiten.«
Bahroff nickte. »Sofort.«
Sergh da Teffron sah seinem einzigen Vertrauten nach. War diese Frau nicht auch genau die gewesen, von der man ihm berichtet hatte, sie habe ihn sprechen wollen? Bahroff hatte es abgetan und behauptet, sie habe nur Haftverbesserungen erbitten wollen. Die Wachen dagegen hatten andere Vermutungen gehabt, was bei dieser Unterhaltung geschehen war.
Vielleicht war
Weitere Kostenlose Bücher