PR NEO 0049 – Artekhs vergessene Kinder
funkelndem Gesträuch, nach herb glänzendem Moos.
Sie hüllen Chabalh ein, nur leicht verfälscht von dem Süßgestank der Ekelfrüchte. Sie erzählen ihm Geschichten von plüschigen Fellknäueltieren, von kleinen langschwänzigen Erdwühlern, von stolzen Laufvögeln. Das Aroma nach körperlicher Vereinigung hängt in der Luft. Der Duft nach Leben.
Doch auch der Gestank des Todes erreicht seine Nüstern. Ein verendetes zweibeiniges Spitzschnabelding, dessen einst buntes Federkleid ihm stumpf und dreckig am Leib klebt. Darüber liegt der Geruch eines anderen Tiers, rau, ursprünglich, frei. Der Geruch des Jägers.
Aber nirgends eine Spur des nicht lebendigen Halbdoppelmanns, der ins Wasser gefallen ist.
Chergost. So heißt er.
Chabalh findet ihn merkwürdig. Nicht so sehr wie den Flackermann, aber doch merkwürdig.
Denn es gibt ihn zweimal!
Oder nein: Es gab ihn zweimal. Jetzt gibt es ihn gar nicht mehr.
Die eine Hälfte des Doppelmanns hat der Regent kaputt gemacht. Mit einer Strahlenwaffe. Chabalh hat an ihm geschnuppert, als sie im Tempel waren. Der kaputte Halbdoppelmann hat genauso gerochen wie der nicht kaputte, der sie erst ins Wasser hineingestoßen und dann daraus gerettet hat. Ja, er hat ganz genauso gerochen, wenn man vom Gestank der Brandlöcher absieht.
Die zweite Hälfte des Doppelmanns ist in den Fluss gefallen und nicht wieder aufgetaucht. Chabalh findet, dass ihm das recht geschieht, immerhin hat auch er sie ins Wasser geschubst, indem er das Boot umstürzte.
Und Chabalh mag kein Wasser. O nein, ganz und gar nicht.
Denn Wasser ist nass. Es macht das Fell schwer, rinnt einem in Tröpfchen in die Nase, schwemmt den Geruch von allem davon.
Trotzdem stapft er durch Feuchtlöcher, schnuppert an Baumstämmen, an im Wasser schwimmenden Blättern, riecht kleine bräunliche Hüpftiere, die ihn aus großen Augen anglotzen und aufgeregt wegspringen, wenn er ihnen zu nahe kommt, wittert brackig modrige Pfützen. Er riecht Wasserpflanzen, Wassertiere, Wasserwurzeln.
Aber er riecht nicht den versunkenen Halbdoppelmann.
Chabalh ist traurig. Auch wenn er die beiden Hälften der Doppelmänner merkwürdig findet, weiß er, dass sein Herr nach ihm sucht und ihn dringend finden will. Chabalh will seinem Herrn helfen, will für ihn suchen und finden. Will, dass es dem Herrn gut geht und er stolz auf Chabalh ist.
»Seht doch, da!«, ruft plötzlich die Rotfellfrau.
Er hört auf, nach dem Halbdoppelmann zu schnuppern, und hebt den Kopf.
Da sieht er es auch: das lange, schmale Boot, das silbrig schimmert wie ein Fisch. In der Mitte des Flusses ragen zwei Felsen aus dem Wasser. Der Abstand zwischen ihnen ist groß. Aber nicht ganz so groß, wie das Boot lang ist. Das Wasser drückt den Silberleib gegen die Steine, das vordere Ende gegen den linken, das hintere gegen den rechten.
Chabalh sieht auch, dass das nicht mehr lange so bleiben wird.
Das Wasser schlägt ans Boot, schiebt es um Winzigkeiten umher. Es schrammt über die Felsen. Nicht viel, aber für jemanden mit scharfen Augen deutlich erkennbar.
Er zögert nicht und entfernt sich zwei Körperlängen vom Ufer. Von dort aus nimmt er Anlauf, springt, fliegt auf den Fluss zu und hört den erschreckten Ruf seines Herrn.
»Chabalh! Was tust du d...?«
Dann schlägt das Wasser über ihm zusammen.
Er hasst Wasser!
Kälte kriecht ihm ins Fell, will ihn lähmen. Er kämpft dagegen an. Er darf den Herrn nicht enttäuschen.
Chabalh taucht auf, stemmt sich gegen die Kraft des Stroms. Er orientiert sich.
Da! Die Felsen mit dem Boot.
Er ist so gesprungen, dass er oberhalb des Hindernisses im Wasser aufgekommen ist. Gut, sehr gut.
Jetzt, da er weiß, wohin er muss, legt er sich in die Strömung, lässt sich von ihr tragen, korrigiert mit Schwanz und Hintertatzen nur gelegentlich den Kurs.
Ein Wirbel packt ihn, zieht ihn in die Tiefe.
Chabalh verliert das Ziel aus den Augen. Wasser dringt ihm ins Maul. Unfreiwillig schluckt er es, keucht, hechelt, schluckt dabei nur umso mehr.
Dummes, dummes Wasser! Er hasst es.
Das heißt nicht, dass er nicht gut schwimmen kann.
Er lässt dem Wirbel seinen Willen, lässt es geschehen, dass er mit ihm spielt, ihn in die Tiefe zerrt, ihn herumschleudert. Chabalh wehrt sich nicht, vergeudet nicht sinnlos Kraft im Kampf, hofft, dass ihm die Luft ausreicht.
Ein böser Geist scheint die Strömung zu beherrschen. Als der Fluss Chabalh ausspuckt, wirft er ihn gegen den Bootsleib. Ein Stich zuckt ihm durch die Flanke.
Nein,
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