PR NEO 0057 – Epetrans Geheimnis
erwacht war. Also schloss sie die Augen, atmete ruhig und flach und so, als wäre sie immer noch ohne Bewusstsein.
Sie hörte knackende, krachende Geräusche; wahrscheinlich die Laute, die entstanden, wenn diese riesigen Ameisen mit ihren harten Leibern über Felsenboden gingen. Ishy wähnte sich sicherer als zuvor und öffnete die Augen wenigstens einen Spaltbreit.
Plitsch.
Der Tropfen zerstob genau vor ihrem Gesicht und schickte tausend winzige Sprenkel auf ihre Haut. Einer davon blieb in Ishys Wimpern hängen und tauchte die ganze Welt hinter einen Schleier.
Sie blinzelte ihn weg.
Die Welt, das war in diesem Fall eine Art Steinkaverne, die in rötliches Licht getaucht war. Ishy kannte diese Art Licht, hatte es schon gesehen, ohne jemals vor Ort gewesen zu sein. Ihre Gabe hatte es ihr gezeigt – der Adler hatte es für sie erblickt.
Und tatsächlich, die matte Helligkeit im Raum ging von einem Moos aus, das eine nahe gelegene Wand überwucherte.
Befand sie sich im Inneren einer der riesigen Steinpyramiden?
Der Gedanke erschreckte sie. Angst stach in ihr Herz. Wenn ja, musste sie lange ohnmächtig gewesen sein. Es lagen etliche Kilometer zwischen der Oase und den Pyramiden. Hatte der Taa sie tatsächlich die ganze Strecke mit sich geschleppt? Und wieso?
Das Klackern und Krachen kam zurück, aber diesmal lauter und hektischer. Ishy überlegte, ob sie aufspringen und flüchten sollte, aber es war keine günstige Gelegenheit. Ob es sich um die Pyramiden handelte oder nicht, dies war ein geschlossener Innenraum, und sie hatte keine Ahnung, ob ein Entkommen möglich war – selbst wenn sie das halbe Dutzend Riesenameisen überwältigen könnte, das auf sie zukam.
Harte Gliedmaßen packten sie, vier, acht, zehn. Sie spürte die Kälte der Chitinpanzer, als die Taa sie über ihre Köpfe hoben und mit sich trugen.
Sie schleppten Ishy durch einen Tunnel. Das rötliche Licht, das von dem Moos ausging, wurde mal heller, mal dunkler, aber nie erlosch es völlig.
Irgendwann, es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, aber in Wirklichkeit waren es wohl nur ein oder zwei Minuten, erreichten sie eine größere Kammer. Es roch penetrant süß, wie nach Honig oder flüssigem Nektar. Recht angenehm, musste sie zugeben. Sie hatte Schlimmeres erwartet.
Die Taa legten sie ab, und jeder Gedanke an Angenehmes verschwand sofort, als sie begriff, wo sie sich befand. Wenn sie mit ihrer Gabe bereits ein Kinderzimmer der Taa gesehen hatte, so war dies ohne Zweifel ihre Speisekammer.
Von der Decke hingen Kokons, nicht wie bei Spinnentieren aus seidigem Faden gesponnen, sondern aus Blättern und einer schleimigen, krustigen Masse zusammengeklebt. Die Gebilde waren nicht rundum geschlossen. Teile des Inhalts ragten heraus. Hier waren es Hufe, dort ein pelziger Schwanz. Oder ein Schädel. Die toten Augen eines löwenähnlichen Tieres.
Alles in Ishy krampfte sich zusammen. Es war ein Fehler gewesen, dass sie nicht sofort versucht hatte zu fliehen. Nun war sie tiefer als vorher in diesem Horrorkabinett.
Aber so einfach wollte sie es den Taa nicht machen. Sie würde sich nicht in den nächsten Kokon einarbeiten lassen und diesen Biestern als Speisevorrat dienen!
Die Taa, die sie an diesen grausigen Ort geschleppt hatten, zogen sich zurück. Ishys Herz schlug wie rasend. Es gab sie also doch, die Monster, vor denen sie sich als Kind gefürchtet hatte.
Langsam drehte sie sich zur Seite. Noch mehr Kokons gerieten in ihr Blickfeld. Um einen schwirrten Schwärme von Fliegen.
Die Japanerin setzte die Hände auf, stemmte sich in die Höhe. Sie musste vorsichtig sein, darauf achten, ob ihr Körper diese Strapaze ertragen konnte. In ihren Ohren brummte es, das Blut rauschte viel zu laut. Die Verletzung hämmerte, als bohre jemand mit den Fingern darin herum.
Als Ishy stand, drehte sich die Welt ein wenig, hin und her und wieder zurück, aber das Gefühl verging.
Ein schabendes Geräusch, ganz in der Nähe.
Viel zu nahe!
Ishy drehte sich um. Es gab drei weitere Zugänge zu dieser Nahrungshöhle, einer merklich größer als die anderen. Dort schob sich ein gigantisches, feistes Etwas heran, mit aufgeblähtem, wulstigem Unterleib.
Der Anblick drehte der Japanerin den Magen um. Dies musste die Königin der Taa sein, die Herrscherin des Ameisenschwarms, die ohne Unterlass Eier produzierte und ebenso unablässig hungrig war. Das gewaltige braunschwarze Ding mit dem gelblichen, pulsierenden Unterleib war gekommen, um sich die neue Beute zu holen, um
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