PR Odyssee 02 - Der geheime Krieg
Dreißig, vierzig, fünfzig Geschosse hoch - oder tief, je nachdem, wo man gerade stand - türmten sich die Fertigungsstätten übereinander. Im Gewirr der dazwischen eingezwängten, schmalen, verwinkelten Gassen, Tunnels, Stiegen, Brücken, Rampen und Kreuzungen war an ein rasches Vorankommen nicht zu denken, so dicht an dicht drängten sich überall die Massen der Passanten.
Die meisten von ihnen entstammten einer Vielzahl verschiedener Echsenvölker. Anders als in der Mars-Metropole Mantagir, wo Perry und seine Begleiter ständig als vermeintliche Nodronen angestarrt worden waren, nahm kaum jemand von Fran und ihm Notiz. Die improvisierte, ihre humanoide Körperform verbergende Verkleidung schien ihren
Zweck zu erfüllen. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie es hier überwiegend mit Technikern zu tun hatten, die allesamt in höchster Eile unterwegs und an ihrer Umgebung kaum interessiert waren. Müßiggang schien in der elften Werkwerft unbekannt zu sein, oder jedenfalls schwerstens verpönt.
Mittlerweise hatten sie ihre getönten Helme einen Spalt weit geöffnet, um Luft und Energie zu sparen. Das Sauerstoffgemisch war recht gut atembar, wenngleich es einen unangenehm sauren Beigeschmack besaß. Die Temperatur lag um die dreißig Grad, schätzte Perry, bei relativ geringer Luftfeuchtigkeit. Dennoch spürte er schon bald, wie ihm der Schweiß in Strömen den Rücken hinabrann. Ständig mussten sie dagegen ankämpfen, von den massigen Echsenleibern abgedrängt, mitgerissen oder schlichtweg niedergetrampelt zu werden.
Fran Imith ließ sich nicht anmerken, ob sie das dauernde Geschiebe und Gestoße erschöpfte. Die TLD-Agentin war keineswegs fragil gebaut, im Gegenteil bestens durchtrainiert. Dennoch - ihre Verletzung und die Gehirnerschütterung lagen nur wenige Tage zurück. Eigentlich hätte er Fran gar nicht mitnehmen dürfen. Aber ganz allein aufzubrechen, wäre unverantwortlich gewesen, und wen sonst hätte er als Begleiter wählen sollen? Pratton? Shimmi? Oder gar Quart Homphé? Undenkbar. Niemand von denen verfügte über ausreichend Kraft und Kondition, von rudimentärsten Nahkampf-Fertigkeiten ganz zu schweigen. Und Bull musste unbedingt beim Schiff bleiben, er kannte sich einfach am besten mit dessen Bedienung aus.
Nach einiger Zeit fanden sie durch Zufall einen Mauervorsprung, hinter dem sie ungesehen den Helm zurückklappen, verschnaufen und sich den Schweiß aus den Augen wischen konnten. Fran Imiths von lockigen, schulterlangen, dunkelroten Haaren eingerahmtes Gesicht erschien Perry noch blasser als sonst.
»Bist du in Ordnung?«, fragte er.
»Etwas ... außer Atem, aber sonst ... geht es mir ... ganz gut.«
»Sag sofort, wenn es dir zu anstrengend werden sollte. Es bringt nichts, sich überzustrapazieren.«
»Klar doch. TLD-Regel Nummer neununddreißig: >Den Helden zu spielen, sich aber zu übernehmen dabei, ist dumm und richtet mehr Schaden an als Nutzen.<«
Sie warfen sich erneut ins Gewühl.
Die Kanzlei des Advokatus lag im hellbeigen Bezirk, hatte der schikanöse Portier gesagt. Derjenige Bereich der mondgroßen Industriestadt, durch welchen sie sich bisher bewegten, konnte damit kaum gemeint sein, denn hier dominierte ein verwaschen wirkendes Lila. Fast alles war in dieser Farbe gehalten, die Mauern, die Bodenbeläge und Überdachungen, sogar die Schilder und Leuchtschriften über den kleinen Werkstätten. Auf originelles Design oder avancierte Ästhetik wurde sichtlich kein Wert gelegt.
»Ich will mich ja nicht aufdrängen«, ertönte geraume Zeit später Bulls Stimme in ihren Helmen, »aber wir, also Quart und ich, haben eure Bewegungen aufgezeichnet und mit Hilfe der Varsonik analysiert. Ergebnis: Diese Kärtchen führen euch an der Nase herum. Nicht gerade im Kreis, aber in einer Art dreidimensionaler Spirale.«
»Verflucht! Die Kerle versuchen uns schon wieder übers Ohr zu hauen.«
»Den Eindruck habe ich ebenfalls. Ach ja, und im von uns aus einsehbaren Teil der Mondoberfläche ist nichts Beiges zu erkennen. Das muss nichts heißen, besagter Bezirk kann schließlich auch viele Ebenen weiter unten liegen. Ich wollte es euch nur sagen.«
»Na prima. Danke, Dicker. - Es hilft nichts, Fran, wir werden nach dem Weg fragen müssen.«
Doch das gestaltete sich schwierig. Die meisten Entgegenkommenden reagierten gar nicht oder abweisend auf Perrys Versuch, sie anzusprechen. Endlich blieb, an einer ausnahmsweise etwas weniger frequentierten Kreuzung, eine Echse stehen, die
Weitere Kostenlose Bücher