PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
und zwar überall. Die Elektronen bewegten sich einst frei zwischen den Atomkernen, und das Licht wurde ständig an der Materie gestreut oder von ihr verschluckt und wieder ausgespien. Aufgrund der Ausdehnung des Raumes hat die Temperatur des Kosmos aber ständig abgenommen. Bei ungefähr 3.000 Grad Celsius konnten die Atomkerne Elektronen einfangen - die ersten Atome bildeten sich (größtenteils Wasserstoff). Dadurch hatte das Licht plötzlich freie Bahn - das Universum wurde durchsichtig. Das geschah etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall, lange bevor die Sterne und Galaxien entstanden.
Inzwischen, etwa 13,7 Milliarden Jahre später, hat die kosmische Expansion den Weltraum auf 2,73 Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt - also auf minus 270 Grad Celsius -und die Wellenlänge des ersten Lichts in den für unsere Augen unsichtbaren Millimeter- und Zentimeterbereich verschoben. Aber noch immer durchfluten über 400 Photonen vom Feuerballstadium des frühen Kosmos jeden Kubikzentimeter des Weltraums. Diese Botschafter erreichen uns erst heute, weil die Himmelsregionen, in denen sie entstanden sind, durch die Ausdehnung des Weltalls seit dem Urknall 13,7 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind.
Die Temperatur der Kosmischen Hintergrundstrahlung ist extrem gleichförmig. Erst 1992 hat der Satellit COBE (Cosmic Background Explorer) winzige Temperaturschwankungen von etwa einem Hunderttausendstel Grad entdeckt. Sie sind eine Art Abdruck von geringfügigen Inhomogenitäten im Urgas, die sich unter der Schwerkraftwirkung später zu den Galaxien, Galaxienhaufen und -superhaufen verdichtet hatten. Allerdings war COBEs Auflösungsvermögen - circa 7 Grad oder 14 Vollmond-Durchmesser - nicht gut genug, um feine Details sichtbar zu machen. Umso größer der Ansporn, genauere Daten zu erhalten. Denn die größenabhängige Verteilung der Temperaturschwankungen birgt zahlreiche wertvolle Informationen über das Universum, die aus schärferen Himmelsaufnahmen herauszulesen sind. Dazu gehört auch die durchschnittliche Materiedichte, der Anteil gewöhnlicher und Dunkler Materie, die Energiedichte des Vakuums (Dunkle Energie) und die großräumige Geometrie oder Krümmung des Weltraums.
Eine Reihe von hoch empfindlichen Detektoren haben seit 2000 diese grundlegenden Eigenschaften unseres Universums in frappierender Genauigkeit gemessen: zunächst die beiden Ballon-Sonden Boomerang (Balloon Observations of Millimetric Extragalactic Radiation and Geophysics) und Maxima (Millimeter Anisotropy Experiment Imaging Array), dann erdgebundene Teleskope wie DASI (Degree Angular Scale Interferometer), CBI (Cosmic Background Imager) und ACBAR (Arcminute Cosmology Bolometer Array Receiver) in der
Antarktis und im chilenischen Hochgebirge, und schließlich die Raumsonde WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe). Letztere vermisst im Gegensatz zu den anderen Teleskopen, die sich auf winzige Himmelsausschnitte beschränken müssen, gegenwärtig das gesamte Firmament. Alle Daten sind - und das ist nicht trivial angesichts der unterschiedlichen Messmethoden, Datenanalysen und Fehlerquellen - exzellent miteinander verträglich und passen auch zu anderen kosmologischen Verfahren: nicht nur den Supernovae-Messungen, sondern auch den Resultaten von 2dF (Two Degree Field) und SDSS (Sloan Digital Sky Survey) - Himmelsdurchmusterungen, die die großräumige Verteilung der Galaxien bestimmen - sowie Messungen so genannter Gravitationslinsen-Effekte (Lichtablenkungen von Hintergrundobjekten im Schwerefeld von Vordergrundgalaxien) und des Lyman-Alpha-Walds (Absorptionslinien im Spektrum ferner Quasare).
Ein widersinniges Weltall
Die neuen Beobachtungen haben immerhin so viel klar erwiesen: Der Mix des kosmischen Cocktails - das heißt die verschiedenen Bausteine des Weltalls und ihr relativer Anteil zueinander - lassen sich mittlerweile bereits auf wenige Prozent genau angeben. Demnach setzen sich die Ingredienzien des Cocktails prozentual folgendermaßen zusammen:
• Dunkle Energie: 73 ± 4 Prozent
• Materie insgesamt: 27 ± 4 Prozent, verteilt auf die folgenden Komponenten:
• Normale Materie (aus Protonen und Neutronen): 4,4 ± 0,4 Prozent (davon etwa 3,6 Prozent intergalaktisches Gas, 0,4 Prozent leuchtendes Gas sowie Sterne und 0,04 Prozent galaktische Schwarze Löcher)
• Kalte Dunkle Materie: 23 ± 4 Prozent
• Heiße Dunkle Materie (Neutrinos): 0,76 Prozent
• Photonen (elektromagnetische Strahlung): 0,005 Prozent.
»Wie
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