PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
also, um in der Analogie zu bleiben, unter der Motorhaube des expandierenden Universums manche Zylinder an- oder abgeschaltet werden.
Trotzdem ist die kosmische Dynamik schon jetzt einfach zu beschreiben, und das sogar ohne genaue Kenntnisse der zugrunde liegenden Physik - schlicht mit der so genannten Zustandsgleichung der Dunklen Energie. Sie lautet p = p*w. Darin spielt der Parameter w die entscheidende Rolle. Er bezeichnet das Verhältnis des Drucks p der räumlich homogen verteilten Dunklen Energie zu ihrer Energiedichte p. Es gilt also: w = p/*.
Die Zustandsgleichung beschreibt nicht nur die Dunkle Energie. Elektromagnetische Strahlung hat w = 7 Bei gewöhnlicher Materie ist der w-Wert etwas über 0, und das war auch schon Sekunden nach dem Urknall so. Bei relativistischer Materie, wie sie beispielsweise im Inneren eines Neutronensterns bei Drücken um eine Billion Gramm pro Kubikzentimeter vorkommt, ist w fast 1. Für die Dunkle Energie dagegen ist w heute negativ. (Sie könnte in Zukunft theoretisch aber positiv werden und damit das Universum zum Kollabieren bringen.) Entscheidend ist nun, den w-Wert der Dunklen Energie heute zu bestimmen sowie herauszu-finden, ob er sich im Lauf der kosmischen Expansion seit dem Urknall geändert hat. Wenn es gelingt, w genau zu messen, wird sich der Dunkle Schleier des neuen Weltenäthers zu lüften beginnen.
Das seit langem vertraute Szenario ist w = -1. Dafür steht Einsteins Kosmologische Konstante. »Ist w größer oder kleiner als -1, muss die Dunkle Energie noch etwas viel Seltsameres sein«, sagt Michael Turner.
Quintessenz - neuer Äther der Relativitätstheorie
Eine Möglichkeit sind die unter Teilchenphysikern gegenwärtig besonders populären Quintessenz-Modelle. Sie haben w-Werte zwischen - 1 / und -1.
Paul Steinhardt von der Princeton University in New Jersey ist Taufpate dieses Ansatzes. Zusammen mit Robert R. Caldwell und Rahul Dave postulierte er 1998 die Existenz eines neuen Quantenfeldes, das >ein wenig einem elektrischen oder magnetischen Feld ähnelt und gravitativ abstoßend wirkt<. Die drei Kosmologen nannten es >Quintessenz< - nach der fünften Substanz, deren Existenz Aristoteles vor über 2.300 Jahren zusätzlich zu den vier Elementen des Empedokles postuliert hatte und als Äther betrachtete, als das feinste und wichtigste Element. (Kurioserweise hat ja auch Einstein 1920 die Kosmologische Konstante als den >neuen Äther der Relativitätstheorie< bezeichnet, nachdem seine Spezielle Relativitätstheorie von 1905 mit der Vorstellung des klassischen Äthers aufgeräumt und dafür die Lichtgeschwindigkeit als universelle Naturkonstante eingeführt hatte.) Die Grundidee einer zeitlich veränderlichen Kosmologischen Konstante ist aber schon älter und geht auf das Jahr 1933 und den jungen russischen Physiker Matvei Petrovich Bronstein zurück, der wenige Jahre später dem verbrecherischen Sowjet-Regime zum Opfer fiel. Neu in die Diskussion gebracht hatte sie 1987 Christof Wetterich, der heute Professor am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg ist. Er postulierte damals die Existenz eines neuen physikalischen Feldes, das er Kosmon nannte. Im Rahmen der Stringtheorie heißt es inzwischen auch Dilaton oder Radion. Und unter dem anscheinend gefälligeren Namen >Quintessenz< haben Physiker mittlerweile einige hundert Artikel veröffentlicht.
Die Quintessenz wirkt in der Gegenwart ähnlich wie die Kosmologische Konstante, nur nimmt ihre Energiedichte im Lauf der Zeit mit der kosmischen Expansion ab, war also früher höher. Lambdas Energiedichte ist dagegen über alle Zeiten hinweg konstant - >und das steht quer zu allem, was wir sonst in der Physik kennen<, kritisiert Steinhardt.
»Ich wollte verstehen, warum die Kosmologische Konstante so klein ist«, erinnert sich Wetterich. »Aber wir haben noch immer nicht den leisesten Schimmer, nur ein paar Modellvorstellungen. Vielleicht sind wir zu dumm dazu. Ich wollte jedenfalls eine Alternative zur Kosmologischen Konstante finden. Die Energiedichte des Kosmon-Feldes ist heute so klein, weil das Universum sich so weit ausgedehnt und sie verringert hat. Der jetzige winzige Wert der homogen verteilten Dunklen Energie könnte also durch das hohe Alter der Welt erklärt werden.« Belege gibt es dafür freilich noch keine. Doch immerhin: »Bei der Analyse des Lichts ferner Quasare fanden Astronomen erste Hinweise darauf, dass sich die elektrische Elementarladung im Lauf der Jahrmilliarden
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