PR Odyssee 06 - Die Lebensboten
Gesicht wies deutliche Bartschatten auf.
Es fiel ihm nicht leicht, sein Aussehen, seine Wirkung auf Frauen einzuschätzen, aber er würde sich als durchaus beeindruckend bezeichnen.
Wieso hat sie mich zurückgewiesen?
Vielleicht lag es an seinen Augen? Sogar ihm selbst erschienen sie kalt, eiskalt. Aber dieses Manko, so es in der Gesellschaft der Nodronen überhaupt eines war, wurde ausgeglichen durch die Macht, die er innehatte.
Macht, die ihn noch attraktiver werden ließ.
Die Macht eines Son'Troketen. Das war sein militärischer Rang.
Die Macht eines Clansführers, der uneingeschränkt an der Spitze seines Teilclans stand. Die Clansführerschaft wurde in der Regel vererbt, allerdings hatte sich jeder Führer bei einer entsprechenden Herausforderung einem Zweikampf um die Führerschaft zu stellen.
Axx lächelte schwach. Er hatte um seine Stellung als Clansoberhaupt unzählige Duelle geführt, aber keiner, der ihn je herausgefordert hatte, hatte den Zweikampf überlebt, und in letzter Zeit waren keine Aufforderungen mehr erfolgt.
Und, nicht zuletzt, die Macht des Gesandten der Zwillingsgötzen. Oberbefehlshaber sämtlicher nodronischer Truppen waren grundsätzlich die Zwillingsgötzen, und er war ihr offizieller Botschafter. Sein Wort war Gesetz, unter allen Nodronen Vaaligas.
Und genau das machte ihm nun zu schaffen.
Wie würde sie sich verhalten? Er wollte sie wegen seiner selbst, nicht wegen der Macht, die er innehatte. Als Gesandter der Zwillingsgötzen bekam er jede Frau. Als Axx Cokroide hatte er die Einzige nicht bekommen, die er wirklich liebte.
Falls er sie tatsächlich liebte, je geliebt hatte.
Gibt es Liebe auf den ersten Blick?, fragte er sich.
Diese Frage quälte ihn seit Sartaire, und eine Antwort darauf hatte er noch immer nicht gefunden.
Er räusperte sich. »Sie soll jetzt zu mir kommen«, sagte er. Seine Stimme klang unnatürlich belegt.
Wie viele Jahre waren vergangen?
Zu viele. Er hatte sich verändert - und wie er sich verändert hatte! -, sie würde sich ebenfalls verändert haben. Aber irgendwie bezweifelte er nicht, dass sie in seinen Augen noch genauso schön war wie damals, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Für ihn würde sie immer so alt bleiben, wie sie auf Sartaire gewesen war.
Sie war jetzt eine Are'Imga, und er war nicht nur Son'Trokete, nicht nur Clansführer, sondern Gesandter der Zwillingsgötzen.
Er hörte ein Geräusch, ein Rascheln wie von Federn eines kleinen, zerbrechlichen Vogels, und blickte auf. Ohne dass er es bemerkt hatte, war sie vor ihn getreten.
Und er hatte sich nicht getäuscht. Sie war noch genauso schön wie auf Sartaire.
Zu seiner Überraschung hatte sie sich herausgeputzt. Einerseits wunderte ihn das nicht. Nodronische Frauen wiesen von Alters her eine größere Spannbreite modischer Varianten auf als ihre männlichen Artgenossen. Sie griffen eher zu farbigen Applikationen, wenn sie es darauf anlegten, einen Mann aufzureizen, aber manchmal konnten ihre Gewänder auch aus purer Lebensfreude ziemlich durchsichtig werden.
Er fragte sich, warum sie sich so attraktiv gewandet hatte. Sie wusste, was sie erwartete.
Sie trug die Jaffage, das traditionelle Kleidungsstück der Frauen insbesondere zu Zeiten der Partnerwahl, einen halb durchsichtigen Schleier in verschiedenen Farben, der in der Regel von einem täglich neu aufgebrachten Seidengespinst am Körper gehalten wurde. Und sie pflegte die Tradition, indem sie sich für natürliche, hautnahe und keineswegs grelle Farben entschieden hatte.
Als Are'Imga war es ihr nicht schlecht ergangen. Sie hatte ihre Kleidung mit wertvollen Accessoires aus Gold und Silber verziert, und das Edelmetall war besetzt mit kleinen Splittern aus Zheugir und seltenen Edelsteinen. Eine Gürtelschnalle betonte ihre schmale Taille, eine Spange hielt den ungebändigten Haarschopf einigermaßen in Form, geschickt angebrachte senkrechte mosaikartige Stiefelinlays ließen ihre sowieso schon langen Beine noch länger wirken.
Und sie trug an der Gürtelschnalle eine prächtig verzierte Variante der Peitsche von Nodro. Eine reine Zierwaffe, untauglich für den Kampf. Er konnte sich darauf verlassen, dass sie keine verborgenen Waffen mit sich führte, die ihm wirklich gefährlich werden konnten. Wahrscheinlich stammte ihre Kleidung sogar aus den umfangreichen Kammern, die er für diesen Zweck hatte anlegen lassen.
Aber warum?, dachte er. Er hatte sie nur hierher befohlen, ihr keinerlei Vorschriften gemacht, wie sie
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