PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
und es ist völlig obskur, wie eine solche Entscheidung getroffen worden sein könnte. Und weiter: Wenn es nur ein Universum gäbe, entstünde das Problem, zu verstehen, warum manche mögliche Universen nicht wirklich existieren, während ein bestimmtes dies tut.
Wenn sich andere Universen nicht nur in ihren Anfangs- oder Randbedingungen und Konstanten oder Parametern von unserem unterscheiden, sondern auch in ihren fundamentalen Gesetzen, dann gibt es keine Grenze mehr zwischen dem logisch und dem physikalisch Möglichen, und unsere Vorstellungskraft ist endgültig überfordert. Dann mag man den Kritikern der M-Hypothese vielleicht beipflichten, dass diese metaphysische Spekulation wissenschaftlich niemals überprüft werden kann - zumindest nicht, solange man kein Supergesetz kennt, von dem die Einzelweltgesetze gleichsam nur verschiedene Variationen darstellen, unterschiedliche Parameterwerte einer wahrhaft alles umfassenden Theorie.
Ockhams Rasiermesser
Ein anderer Einwand gegen die M-Hypothese lautet, sie verstoße gegen das Ökonomie-Prinzip der Wissenschaft und sei daher mit Ockhams Rasiermesser zu kappen. Dieses Rasiermesser ist eine scharfe philosophische Waffe gegen überflüssige ontologische Annahmen, also gegen die behauptete Existenz von Objekten und so weiter jenseits unserer bisherigen Erfahrungswelt. Sie geht auf den mittelalterlichen Philosophen und Theologen William Ockham zurück. Er schrieb, man dürfe Vielheiten nicht ohne Notwendigkeit annehmen; Seinsformen seien nicht ohne Notwendigkeit zu vermehren; und was sich mit weniger Prinzipien erklären ließe, solle nicht mit mehr erklärt werden. Der Wiener Physiker und Philosoph Ernst Mach sprach im 19. Jahrhundert dann vom Ökonomie-Prinzip der Wissenschaft und forderte ebenfalls, so sparsam wie möglich mit weitreichenden Annahmen umzugehen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass in der M-Hypothese zwar sehr großzügig mit Welten, nicht aber mit unterschiedlichen ontologischen Entitäten, Prinzipien und Restriktionen umgegangen wird, dass die Hypothese im Rahmen eines naturalistischen Weltbildes bleibt (also keine unphysikalischen Wesenheiten annimmt), und dass andere Postulate durch sie vielleicht sogar unnötig gemacht werden (etwa der Kollaps der Wellenfunktion, wenn die Many-Worlds-Interpretation der Quantenphysik zu trifft). Zudem wäre es ein seltsamer Zufall, wenn die Realität genau dort enden würde, wo unsere Beobachtungsgrenze liegt, sagt Kanitscheider. Dies ist sicher nicht die einfachste erkenntnistheoretische Hypothese.
Auch haben zumindest einige der Szenarien eine theoretische Verankerung beziehungsweise Anbindung, beispielsweise in der Quantenphysik oder in den Ansätzen einer Theorie der Quantengravitation.
Schließt man sich Sciamas These an, dass alles Mög-liche, was die Physik nicht ausdrücklich verbietet, auch existiert, lässt sich das Ökonomieprinzip geradezu als Argument für die M-Hypothese lesen, wenn man dieses im Sinne der geringsten Zahl der Einschränkungen deutet, die mit dem gesamten Beobachtungsmaterial vereinbar sind (Bernulf Kanitscheider). Nicht wer die M-Hypothese für wahr hält, sondern wer sie kritisiert, würde das Sparsamkeitsprinzip dann verletzen. Auch aus algorithmischer und informationstheoretischer Sicht ist es Max Tegmark zufolge wesentlich einfacher, alle Möglichkeiten zu erzeugen als eine spezifische. Beispiel: Um eine der unendlich vielen und unendlich langen Zahlen im Intervall zwischen 0 und 1 zu errechnen, wäre ein unendlich langes Computerprogramm nötig. Aber um alle Zahlen zwischen 0 und 1 zu erzeugen, müsste man nur folgenden Algorithmus programmieren: 0, 0,1, 0,2, 0,3 ... . 0,01, 0,02, 0,03 ... . 0,001, 0,002, 0,003 ...
Die Feinabstimmungen der Natur
Es gibt noch ein anderes Argument für die M-Hypothese. Es ist indirekt und basiert auf einem der größten Rätsel der modernen Physik, das durch die Annahme anderer Universen vielleicht gelöst werden könnte.
Rätselhaft ist nämlich, warum die Naturgesetze und -konstanten genau so sind, wie sie sind. Wären sie nämlich nur geringfügig anders, gäbe es keine Sterne, keine Planeten und keine Lebewesen - und somit auch keine Wissenschaftler, die über das Problem nachdenken können. Winzige Abweichungen vieler fundamentaler Kenngrößen unseres Universums von ihrem tatsächlichen Wert hätten also zur Folge, dass das Universum menschenähnliches Leben nicht hätte hervorbringen können. Die folgende Tabelle listet einige dieser so
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