PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
das Prinzip der direkten Beobachtbarkeit schon gar nicht. Entscheidend ist bei der Einführung einer neuen Entität die Erhöhung der erklärenden Kraft, und zwar im Vergleich mit allen anderen konkurrierenden Hypothesen.
Auch der Vorwurf, die M-Hypothese sei extravagant, wäre unwissenschaftlich - zumal beispielsweise
Relativitäts- und Quantentheorie mit vielen bizarren Aussagen den gesunden Menschenverstand ohnehin längst gesprengt haben. Das Universum ist nicht nur seltsamer, als wir annehmen, sondern seltsamer, als wir annehmen können, hat es der Genetiker John Burdon Sanderson Haidane einmal treffend formuliert.
Ein Einwand lautet, dass sich die M-Hypothese prinzipiell nicht verifizieren oder falsifizieren ließe und daher unbrauchbar sei. Denn Wissenschaft beruht ja fast schon definitionsgemäß auf den Prinzipien der Bestätigung und Widerlegbarkeit.
Das ist ein heikler Punkt. Man mag entgegnen, dass sich die Existenz anderer Universen vielleicht einmal zwingend aus bestimmten Theorien ergibt (darauf gibt es ja bereits Hinweise), und diese Theorien könnten und müssten sich freilich überprüfen lassen. Außerdem haben einzelne kosmologische Modelle durchaus Implikationen, die im Prinzip widerlegt werden können -etwa Aussagen zur großräumigen Geometrie oder zur Dunklen Energie. Die Annahme spezifischer Anfangsbedingungen könnte sich künftig mit Messungen der Kosmischen Hintergrundstrahlung oder des Gravitationswellen-Hintergrunds falsifizieren lassen. Und wenn unser Universum ein typisches, nicht einzigartiges Mitglied des Multiversums wäre, führt dies möglicherweise auch zu überprüfbaren Voraussagen (über Wahrscheinlichkeitsverteilungen beispielsweise von Werten der Naturkonstanten).
Überdies mag es wenigstens prinzipiell Wege geben, die Existenz anderer Universen zu verifizieren, etwa mit Hilfe von Quantencomputern. In Form von Interferenzen im Szenario der Many-Worlds-Interpretation der Quantenmechanik, aber auch an den Rändern der einzelnen Regionen eines inflationären oder quasistationären Universums sind Wechselwirkungen nicht au szu schließen. Eine andere Möglichkeit ist, dass sich ein Paralleluniversum durch die Gravitation seiner Materie bemerkbar macht, wenn diese - wie in manchen Szenarien der Stringtheorie - in unser Universum eine Art Schatten wirft, den wir als Dunkle Materie wahrnehmen. Auch könnten mikroskopische Wurmlöcher, die verschiedene Universen miteinander verbinden, die Werte bestimmter Naturkonstanten einstellen, beispielsweise die Kosmologische Konstante fast zum Verschwinden bringen, deren Wert bislang unverstanden ist und dem Standardmodell der Elementarteilchen zufolge sogar wesentlich größer sein sollte (um bis zu 120 Zehnerpotenzen), als er tatsächlich ist. Makroskopische Wurmlöcher, wenn es sie gibt, wären sogar als Tunnel zu anderen Universen denkbar.
Entgegen manchen Behauptungen impliziert die M-Hypothese also nicht notwendig die vollständige kausale Trennung der einzelnen Universen! Die M-Hypothese steht daher nicht in jeder Form gänzlich außerhalb aller Verifikations- und Falsifikationsmöglichkeiten, auch wenn die konkreten Eigenschaften anderer Universen unbekannt bleiben und sich beispielsweise ein Informationsverlust durch Wurmlöcher experimentell nicht nachweisen ließe.
Was nicht ausdrücklich verboten ist, existiert
Ferner wurde behauptet, dass alles, was die Physik nicht ausdrücklich verbietet, auch existiert. Dafür hat etwa der britische Kosmologe Dennis William Sciama argumentiert. (Mit Fjodor Dostojewski: Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt. Freilich vermag die Physik Gott nicht zu verbieten.) Dies ist eine weitere Version des Prinzips der Fülle. Als Argument dafür lässt sich mit dem Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman anführen, dass in der Elementarteilchenphysik alles, was nicht durch Erhaltungssätze ausgeschlossen ist, tatsächlich vorzukommen scheint: Alles, was nicht verboten ist, geschieht irgendwann und irgendwo zwingend. Kann man etwa erlaubte Prozesse nicht nachweisen, wird nach einer Begründung gesucht, warum sie sich nicht ereignen. Entsprechend diesem Versuch, die Beweislast umzukehren, müsste man zeigen, dass es andere Universen nicht geben kann.
Dennis Sciama: Nach der herkömmlichen Auffassung von einem einzigartigen Universum müssen wir annehmen, dass es entschieden war, dass alle logisch möglichen Universen bis auf eines nicht existieren sollen. Das ist eine sehr starke Annahme,
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