PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
vielleicht der größte, scherzte der amerikanische SF-Autor Kurt Vonnegut. Die moderne Kosmologie hat gezeigt, dass diese Ansicht womöglich provinziell und antiquiert ist und dass die Wissenschaft die Science Fiction zuweilen überholt. Das hat Konsequenzen nicht nur für unser Welt -, sondern auch für unser Selbstverständnis.
Dass die Welt für den Menschen da sei, war in Antike und Neuzeit ein weit verbreiteter Gedanke (etwa bei Aristoteles, Cicero, Laktanz, Origines, Francesco Petrarca und Giovanni Pico della Mirandola, um nur einige zu nennen). Denn Zweck der Welt und jeglichen Geschöpfs ist der Mensch, war auch Johannes Kepler überzeugt. Und selbst der Kopernikaner Galileo Galilei glaubte, dass ein ungeheurer sternenleerer Raum zwischen den Planetenbahnen unnütz und zwecklos sei und müßig, dass es überflüssig sei, eine unermessliche, alle Fassungsgabe übersteigende Größe den Fixsternen als Behausung zuzuweisen. Und weiter: Nicht aber dürfen wir zugeben, dass irgendetwas umsonst geschaffen und müßig im Weltall sei.
Der aus Frankreich nach Holland geflohene Philosoph Rene Descartes dagegen mahnte, wir hätten uns davor zu hüten, dass wir uns nicht selbst überschätzen. Dies sei der Fall, wenn wir annehmen, alle Dinge sind bloß unseretwegen [ ... ] geschaffen. Der französische Essayist Michel de Montaigne dachte ähnlich: Wer hat ihm [dem Menschen] in den Kopf gesetzt, dass dieser bewundernswürdige Reigen des Himmelsgewölbes [ . ] zu seiner Annehmlichkeit und zu seinen Diensten geschaffen und so viele Jahrhunderte in Gang gehalten wurde? Lässt sich etwas Lächerlicheres ausdenken, als wenn dieses elende und erbärmliche Geschöpf [ . ] sich für den Meister des Alls ausgibt, von dem auch nur den geringsten Teil zu überschauen, geschweige denn zu beherrschen, nicht in seiner Macht steht? Und der englische Dichter Alexander Pope brachte es auf den Punkt: Frag, wozu scheinen Himmelssterne hier? Wem dient die Erde? Hochmut sagt: Nur mir.
Nachdem rationale Menschen die kosmische Vertreibung zu akzeptieren lernten, wurde die Hoffnung auf eine Sonderstellung des Menschen trotzdem nicht aufgegeben, sondern woanders gesucht - im Geist des Menschen. Keiner hat dies klarer formuliert als Blaise Pascal, nachdem er zuvor die raumzeitliche Nichtigkeit des Menschen diagnostizieren musste. Das Denken macht die Größe des Menschen. [ . ] Die ganze Würde des Menschen liegt im Denken, schrieb Pascal und formulierte sein berühmtes Schilfrohr-Gleichnis: Nur ein Schilfrohr, das zerbrechlichste in der Welt, ist der Mensch, aber ein Schilfrohr, das denkt. Nicht ist es nötig, dass sich das All wappne, um ihn zu vernichten: ein Windhauch, ein Wassertropfen reichen hin, um ihn zu töten. Aber, wenn das All ihn vernichten würde, so wäre der Mensch doch edler als das, was ihn zerstört, denn er weiß, dass er stirbt, und er kennt die Übermacht des Weltalls über ihn; das Weltall aber weiß nichts davon. [ ... ] Nicht im Raum habe ich meine Würde zu suchen, sondern in der Ordnung meines Denkens [ ... ]. Durch den Raum erfasst mich das Weltall und verschlingt mich wie einen Punkt, durch das Denken erfasse ich es.
Die im Denken, Selbstbewusstsein, in der Vernunft oder gar als unsterblich erhofften Seele begründete angebliche Sonderstellung des Menschen hat sich bis in die Gegenwart gehalten und war beispielsweise auch dem Philosophen Max Scheler in seiner berühmten Schrift Die Stellung des Menschen im Kosmos (1928) das Gütesiegel unserer Existenz - obwohl er ganz richtig diagnostizierte, dass zu keiner Zeit in der Geschichte der Mensch sich so problematisch geworden ist wie in der Gegenwart.
Die Zersplitterung von Welt und Subjekt hat ein Ausmaß erreicht, wie es nie zuvor der Fall war. Denn früher herrschten in aller Regel überschaubarere und konstantere Lebensbedingungen, was Umfeld und eigene Stellung betrifft. Ferner verstand man sich eingebunden in eine göttliche Ordnung; wenigstens von diesem Gesichtspunkt aus blieb die Welt sinnvoll und das Absurde unbekannt. Industrialisierung, Technisierung, Kollektivierung, Normierungen und die geistesgeschichtlichen Umwälzungen änderten dies radikal, die evolutionsbiologische und neurowissenschaftliche Uminterpretierung des klassischen Menschenbildes kam hinzu, und der Skeptizismus erschütterte die metaphysischen Himmelsgedankenpaläste.
Gott starb, wie Nietzsche schrieb, und man begann den leeren Himmel über sich zu erahnen, was später seinen Ausdruck
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