PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
Perry hinüber, hockte mich hin, richtete die Stablampe aus. Nichts.
»Da war eine senkrechte Kante zu sehen«, sagte er. »Zu erahnen.«
Ich ging wieder an meinen alten Platz und legte die Stablampe so hin, dass sie die Rückwand beleuchtete.
»Ja«, sagte er. »Jetzt.«
Diesmal war aus seinem Blickwinkel deutlich eine senkrechte Linie zu sehen, »ein Grat oder ... Eine Fuge«, sagte ich.
Wir untersuchten die Wand. Mittig war eine Blende angebracht worden. Eine Blende von vier Metern Breite.
Die Fuge ließ sich mit dem Fingernagel öffnen.
»Was liegt dahinter? Eine Schatzkammer? Eine Art Schreinraum?« Ich zog mein Vibromesser und bückte mich. Es machte einen Haufen Dreck, aber nach zwei Minuten hatte ich ein gutes Stück der millimeterdünnen Blende gelöst und brach es ab. Der verblendete Raum war nicht tief, vielleicht einen halben Meter.
Perry ging auf die Knie und leuchtete in die grob drei-eckige Öffnung. Ich drängte mich neben ihn. Wir steckten unsere Köpfe hindurch.
»Ein Wandgemälde?«, rief ich.
»Es scheint irgendeine technische Darstellung zu sein«, sagte Perry. »Los!«
Wir legten so viel von dem Gemälde frei, wie wir konnten. Es handelte sich um eine Art Weltraumszene, nur ohne Weltraum. Eine Hand voll kleinerer Schiffe, die an Pilze oder Quallen erinnerten, flogen auf ein nur ausschnitthaft dargestelltes Objekt zu. Genauer gesagt, sie flogen auf eine längliche Öffnung in seiner Mitte zu. Braune, weiße und violette Töne überwogen.
»Seltsame Farbgebung«, sagte ich.
»Dieses Objekt«, sagte Perry. »Es muss gigantische Ausmaße haben. Ein künstlicher Planet?«
»Jedenfalls ist die Perspektive eindeutig die dieser Quallenschiffe.«
»Deshalb dürfte es sich um einen Schiffstyp der Wissenschaftler handeln.«
Ich nickte. »Das große Objekt könnte von der Darstellung her etwas Fremdes sein. Es sieht zu rätselhaft aus, um einfach das Hauptschiff oder so etwas zu sein.«
Vor unseren Augen veränderte das Gemälde sich. Die Farben verliefen, die Umrisse sackten durch, das ganze Bild verwandelte sich in etwas wie eine optische Täuschung.
»Die Farbe rieselt herunter!«, rief Perry. Das Bild zerfiel innerhalb von Sekunden. »Da ist es jahrhundertelang geschützt gewesen, und nun haben wir es dem Licht und der Luft ausgesetzt.«
»Geschützt gewesen?«, fragte ich. »Oder versteckt gewesen?«
Er sah mich fragend an.
»Es ist nur ein Gefühl«, sagte ich. »Aber ich glaube, die Tambu haben Dreck am Stecken.«
»Sie haben hier vor der Aufgabe des Turmes alles herausgerissen, Bully. Wenn sie etwas zu verbergen hätten, hätten sie das Bild doch einfach zerstören können.«
»Und wenn sie von dem Bild gar nichts mehr wussten?«
»Weil sie es voreinander verborgen haben, meinst du?« Er rieb sich die Nase. »Die eine Gruppe vor der anderen ... Zu einer Zeit der Inquisition quasi? Das ergäbe einen Sinn.«
Wir drehten uns um und starrten die Konferenzquader mit den nicht mehr vorhandenen Sitzstangen an. Hier, vor diesem Gemälde, hatte einst ein verhältnismäßig kleiner Rat getagt.
Im obersten Stockwerk. Einem Transmitter gegenüber.
Ein kleiner Rat, aber einer von Gewicht.
Zwischenspiel
Einige Zeit vor dem Abflug nach Balance B durchstreift Pelmid Sulcatob die Einkaufsebenen des Orbital-Hotels. Sie hat erklärt, noch einige Andenken erstehen zu wollen, und so hat Axx Cokroide ihr diese Zeit zugestanden.
In einem Schuhgeschäft erwirbt sie ein paar Schaftstiefel aus echtem Sturmtierleder - eine handwerklich gefertigte Rarität, sagt der Verkäufer. Sie überweist ihm einen Wochensold dafür. Sie ist Ot’Son’Trokete. Sie kann sich so etwas jetzt leisten, auch wenn sie noch nicht weiß, wie viel sie tatsächlich verdienen wird. Sie hat bisher nicht danach gefragt.
Sie durchstreift die Läden, sucht sich hier ein Tuch aus, dort eine Seife, lässt sich noch eine Flasche Badesalz mit einpacken. Hauptsache, sie hat ihren Beutel
schnell gefüllt.
Dann geht sie in eine Milchstube und ruft Tonka im Justizministerium an. »Hey«, sagt sie, als ihre Freundin sich ebenso förmlich wie offiziell meldet, »ich wollte mich noch von dir verabschieden, bevor es wieder zurück nach Mantagir geht. Und dir zu deiner inoffiziellen Ernennung gratulieren! Für wann ist denn die feierliche Amtseinführung angesetzt?«
»Für übermorgen«, sagt Tonka reserviert. Sie hat wieder diese Hochsteckfrisur. »Wo bist du denn da gerade? In einem Milchhaus?«
Pelmid bejaht. »Ich dachte mir,
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