PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
tieferen Stellen glänzte noch halb geronnenes Blut.
Krenja stand auf, stellte das leere Tablett auf die Anrichte und setzte sich auf eine Kiste an der Wand. Sie nestelte an dem Lederverschluss herum, der die Wolldecke um ihre Schultern zusammenhielt. Nach ein, zwei Minuten stand sie wieder auf und nahm den Siebeinsatz mit den Teeblättern aus dem Topf.
»Gut«, sagte Errek. »Ich danke dir.« Er hob den Blick
und sah sie an - soweit ich es mitbekommen hatte, zum ersten Mal seit der Szene im Palast. »Nun möchte ich, dass du mein Djel verlässt.«
Sie schnappte nach Luft.
»Mein Djel«, sagte Errek. »Nicht meinen Adjel.«
Sie verschwand in dem Schlauchgang.
»Und, Krenja ...«, sagte Errek.
»Ja?«, drang ihre Stimme durch die Plane.
»Suchst du Wonjok, bitte? Ich fürchte, er ist noch im Palast gewesen.«
Nach einem Moment: »Ja.« Dann das Schließen der Tür.
»Wonjok?«, fragte ich.
»Mein Sohn«, sagte Errek. »Mein Sohn. Ein Kind noch.« Er nahm einen Lederlappen und hob den Topf vom Herd, tauchte eine Schöpfkelle hinein und goss ein wenig Tee ins Feuer. Es zischte. Dampf wallte auf. Dann teilte er den Tee in die Tassen aus.
Ich nahm meine Tasse. Der Griff war sehr heiß. Ich biss die Zähne zusammen, hielt die Tasse über das Feuer und neigte sie leicht. Als Errek nichts dagegen sagte, kippte ich einen Schluck Tee ins Feuer. Perry tat es mir nach. Fran nicht. Ich stellte die Tasse wieder hin und rieb mir die Finger.
»Greift zu!«, sagte Errek und deutete auf die Schalen mit den weißen Würfeln. »Ich kostete.« Es schmeckte ungefähr wie Ziegenkäse, nur sahniger. Ich nickte.
»Weiße Gaben«, sagte Errek. »Es gehört auch noch ein Schluck Branntwein dazu, aber nicht heute. Bald werden wir am großen Feuer sitzen. Und ich weiß nicht, wer Freund ist und wer Feind.« Er schnaubte, sah uns der Reihe nach an. »Wie es aussieht, seid ihr die Einzigen, die ich heute einigermaßen sicher meine Freunde nennen kann. Jawohl, auch dich, Fran von den Imith. Du hast mich aus dem Land des Wahnsinns zurück-geholt.« Er rieb sich mit einer seiner Pranken das Gesicht. »Ich brauche euren Rat.«
»Hoffentlich nicht in Liebesdingen. Da fühlte ich mich derzeit nicht kompetent.« Ich nahm mir noch einen Käsewürfel.
»Shirkam Otmookmher«, sagte Perry. »Er macht dir den Führungsanspruch streitig.«
»Nein«, sagte Errek. »Ja.«
»Klingt kompliziert«, sagte ich. »Geht es auch ein bisschen einfacher?«
»Eigentlich führt mein Vater den Clan und die Gesamtheit der Rebellen an. Tarak, die Geißel der Götzen. Aber Tarak«, Errek verzog grimmig das Gesicht, »ist sehr krank. Seit langen Jahren schon. Ich hatte darum begonnen, die Führung mehr und mehr in die eigenen Hände zu nehmen. So, wie es mir ohnehin bestimmt war, denn Taraks einziger Sohn ist automatisch auch sein Nachfolger.«
»Wenn das so automatisch geh«t, fragte Perry, »wie kommt Shirkam dann ins Spiel?«
»Eigentlich gar nicht. Mein Vater hat eine Schamanin zu sich geholt. Shirkam ist ihr Bruder. Mehr nicht.« Errek schnaubte.
»Die singende Zauberin«, sagte ich. »Aber inzwischen ist Shirkam ja mehr als nur der Bruder der Schamanin deines Vaters. Er ...«
»Dieser Teufel!«, rief Errek. »Nutzt seine Stellung, um sich an meine Frau heranzumachen! Um ihr ein Kind zu machen!«
»Was ist daran schlimm?«, fragte Fran kühl. »Wenn sie dich doch für tot gehalten haben.«
»Er hat sich nur an sie herangemacht, um Rebellenführer werden zu können!«
»Und sie war so dumm, darauf hereinzufallen, ja? Das willst du doch damit sagen.«
»Fran«, meinte Perry. »Errek. Können wir auf hochkochende Emotionen vielleicht verzichten? Vom menschlichen Standpunkt, der sicher sehr schwer wiegt, einmal abgesehen, verstehe ich das Problem noch nicht. Wird Shirkam dir denn politisch nicht weichen, jetzt, wo du wieder da bist?«
»Ja, schon. Aber was nutzt mir das? Er ist mir immer einen Schritt voraus, der Teufel. Und er hat drei Jahre Zeit gehabt, alles so zu packen, wie es ihm gefällt.« Errek lachte böse. »Vertrauten Platzes Gras ist weich, sagt man bei uns. Nicht für mich! Seine grausige Schwester hat meinen Vater in der Hand. Meine Frau ist von ihm schwanger.«
»Meinen Sohn hat er mir entfremdet. Mein Vater hat ihn zum Hüter des Herdes und Hüter der Grenzen ernannt, mit dem Zutun meiner Frau und Shirkams Schwester vermutlich. In der Schnecke auf dem Berg habe ich kein bekanntes Gesicht unter den Wachen gefunden. Er hat die Leute
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