PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
wir gleich«, sagte ich. »Aber es wäre unhöflich, nicht wenigstens Hallo zu sagen.«
Fran sah mich skeptisch an.
»Glaub mir. Nomaden sind die gastfreundlichsten Leute des Universums. In Sichtweite an ihrem Lager vorbeizureiten, zumal in der Einsamkeit, käme einer unflätigen Beleidigung gleich. Wir machen es ganz kurz. Versprochen.«
Ich hielt mein Versprechen. Ich grüßte die Leute nur kurz von Peikade, dann sahen wir uns das Lager an, tranken rasch einen Schluck Tee, tauschten, da wir gleich weiter wollten, mit einem alten Patriarchen einen Teil unserer Picknickvorräte gegen frisch gefangenen
Fisch, den seine Tochter uns freundlicherweise noch grillte, und schwupp, waren wir wieder unterwegs zu einem verschwiegenen, abgelegenen Plätzchen, das wir zwischen einigen Felsdurchbrüchen zu finden hofften.
»Ging doch schnell«, sagte ich, als wir außer Hörweite waren.
»Wenn es hier ganz normales Licht von einer ganz normalen Sonne gäbe«, höhnte Fran, »müssten wir uns beeilen, damit wir nicht im Dunklen ankommen.«
»Na komm. Dafür dass sie uns zum Essen einladen und uns für das Verdauungsschläfchen sogar ein Nebenzelt überlassen wollten, ist eine Stunde doch gar nichts.«
»Anderthalb.«
»Aha? Dann muss es stehen geblieben sein.« Ich schüttelte mein Multifunktionsarmband. »Vielleicht hab ich es vergessen aufzuziehen.«
Fran schmunzelte nur kurz. »Solche Verwahrlosung habe ich schon lange nicht mehr gesehen.«
»Armut lässt sich gut abfedern, wenn man einen Sinn für Schönheit hat und organisieren kann. Wenn nicht.« Ich zuckte mit den Achseln.
Fran sah es nicht. Sie ritt vor mir. Ich bedauerte, dass die Krankensättel eine kleine Lehne für das Gesäß hatten. Fran sah prächtig aus. Sie trug heute eine dunkelgrüne Hose mit einem dunkelgrünen, gefransten Poncho. Die Farbe kontrastierte wunderbar mit ihren roten Haaren. Sie sah mehr denn je wie eine irische Elfe aus. »Wenn hier irgendwo Weiden wachsen oder so, schnitze ich dir einen Bogen, sagte ich.«
»Wenn hier irgendwo Weiden wachsen oder so«, sagte Fran und grinste mich an, »dann taugen sie hoffentlich als Blickschutz.«
»Oha«, machte ich.
Sie lachte. Mir gefiel ihr Lachen. Sie drückte dann immer die Zungenspitze gegen die oberen Schneidezähne.
»Aber danach«, sagte ich, »schnitze ich dir einen Bogen.«
Wir fanden zwischen den Felsdurchbrüchen tatsächlich eine schöne Stelle. Nirgendwo wuchsen Weiden, aber einsehbar war die Stelle nur vom gegenüberliegenden Ufer aus, und das war weit weg.
Irgendwann lag Fran auf mir und zog mit dem Finger die Narben auf meiner Stirn und meiner Wange nach. »Wo hast du die her?«
Wir hatten die andere Hälfte der Decke über uns geschlagen, weil vom See her ein auf die Dauer recht kühler Wind wehte und wir uns noch nicht wieder anziehen wollten. »Ach, das ist tausend Jahre her«, sagte ich. Mit der einen Hand spielte ich in ihren Haaren, die andere hatte ich mir unter den Kopf geschoben. »Habe ich längst vergessen.«
»Das ist aber schlecht.«
»Wieso?«
»Was soll ich meiner Mutter sagen, wenn sie mich danach fragt? Soll ich dann sagen, das will er mir nicht verraten? Ich weiß schon, was dann kommt. Verbrechervisage. Dunkle Vergangenheit. Du wirst es noch bereuen, Kind, merk dir meine Worte.«
»Deine Frau Mutter lass mal meine Sorge sein. Du vergisst, was für ein Charmebolzen ich bin.«
»Andere Leute nennen dich anders.«
»Die haben ja auch andere Töchter.«
Sie fuhr wieder die Narbe entlang. »Ach, bitte.« Sie machte eine Schnute, und auf einmal konnte ich mir vorstellen, wie sie als Siebenjährige ausgesehen hatte.
»Du musst die reinste Plage für deinen Vater gewesen
sein. Hat er dir je etwas ausschlagen können?«
»Lenk nicht ab.«
Ich gähnte. »Worum ging es gerade?«
»Die Akten geben nicht eine Zeile über die Narben her. Auf den meisten Bildern sind sie nicht mal zu sehen. Retuschiert eure Pressestelle die immer?«
Ich drehte den Kopf zum Picknickkorb herum. Komisch. Ich könnte schon wieder etwas vertragen.
»Bestimmt steckt eine schrecklich romantische Liebesgeschichte dahinter«, sagte Fran. »Darum willst du mir nichts verraten.«
»Stimmt. Schrecklich romantisch.«
Sie sah mich erwartungsvoll an, aber ich sagte nichts weiter.
»Reginald!« Sie setzte sich auf und klatschte mir die flachen Hände auf die Brust.
»Na schön«, sagte ich und schloss die Augen. »Du sollst alles erfahren.«
Sie seufzte und ließ sich neben mich
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