PR Odyssee 4 Die Traumkapseln
fallen, kuschelte sich in meine Armbeuge.
»Ich war noch ein junger Mann damals. Das war noch vor der Mondlandung. Lange vor der Mondlandung. Ich studierte noch und verdiente mir nebenbei etwas Geld an einer Tankstelle. Damals gab es noch Autos, also eine frühe Form von Gleitern, die .«
»Du meinst Automobile? Mit Rädern unten dran? Du bist so etwas noch gefahren?«
»ja, genau. Die hatten Verbrennungsmotoren, fuhren also noch mit Benzin, und das holten sich die Besitzer an der Tankstelle. Kleine Reparaturen konnte man dort auch machen lassen. Jedenfalls war es Sommer, und ich jobbte als Tankwart. Es war eine abgelegene Tankstelle in einer Gegend, die man fast schon gottverlassen nennen konnte, und so arbeitete ich allein dort. Der Chef kam nur, wenn jemand einen Mechaniker
brauchte, und natürlich abends zum Kassemachen.
Es war ein wunderschöner Sommer, ungefähr so wie hier, aber wärmer natürlich. Eines Tages fuhr ein richtiger Straßenkreuzer vor. Nichts für ganz Reiche, aber schön. Weiße Lackierung, lang gezogene, eckige Heckflossen. Eine Augenweide für einen jungen Mann, der sonst hauptsächlich Pickups und uralte Ford-Ts zu sehen bekam. Nicht dass dir das jetzt etwas sagen muss. Aber eine noch viel größere Augenweide war die Frau, die hinter dem Steuer saß.«
»Ah«, machte Fran schläfrig. »Endlich.«
»Eine richtige Lady von der 5th Avenue, mit Kopftuch, Sonnenbrille und weißen Lederhandschuhen. Adrettes Kostüm, Seidenstrümpfe, dezentes Make-up. Um die vierzig. Doppelt so alt wie ich. Voll tanke, sagte sie. Wenn ich mich heute so zurückerinnere, weiß ich, dass ihr Gesicht Ärger verhieß. Aber damals dachte ich einfach: junge, ist die schön! Ich war zu der Zeit noch fürchterlich schüchtern, auch wenn man sich das heute kaum vorstellen kann. Ich gehe also beflissen nach hinten und stehe da, tanke voll - da grinst mich durch die Scheibe jemand an.
Ein Mädchen sitzt auf der Rückbank, vielleicht dreizehn oder vierzehn. Sie sieht ganz niedlich aus, aber ansonsten ist sie das genaue Gegenteil von ihrer Mutter. Trägt Turnschuhe, Jeans und ein Flanellhemd. Hat lange Zöpfe mit solchen Plastikkirschen an den Gummis.«
»Du hast mit ihrer Mutter etwas angefangen«, murmelte Fran, »und dann hat sie es mitgekriegt und sie zur Rede gestellt, und die beiden sind mit Küchenmessern aufeinander los, und du bist dazwischen gegangen und hast von der Mutter den einen und von der Tochter den anderen Schnitt verpasst bekommen.«
»Wart’s mal ab, sagte ich. Ich tankte also voll und guckte auch nach dem Kühlwasser und putzte die Frontscheibe, wie es damals eben so zum Service gehörte. Dann fuhren die beiden davon, und meine Wangenröte ließ langsam nach. Die siehst du nie wieder, dachte ich. Wie eine Schauspielerin hat sie ausgesehen, wie Audrey Hepburn! Die war damals das Damenhafteste, was man sich nur vorstellen konnte. Aber keine zwanzig Minuten später war die weiße Limousine wieder da. Dampf wallte unter der Motorhaube hervor. Ich machte auf, und was sah ich? Der Deckel vom Kühlwasserbehälter fehlte! Ich fand ihn in einem kleinen Spalt seitlich am Kühler.
Ich füllte Wasser nach, nahm einen Lappen, schraubte den Deckel auf, zog ihn noch einmal fest an. Dann machte ich die Motorhaube wieder zu, ging zur Fahrertür und entschuldigte mich für meinen Fehler. Die Mutter sah mich mehr als skeptisch an. Sie tippte mit ihren weiß behandschuhten Fingern auf dem Lenkrad herum. Mama, ich will noch etwas trinken, sagte die Tochter. - Dann soll er dir etwas bringen, entgegnet die Mutter. - Ich weiß aber noch nicht, welche Sorte ich will. Also landen wir schließlich in dem kleinen Verkaufsraum. Ich zeige ihr, immer noch mit knallrotem Kopf, welche Limosorten wir haben, und sie kann sich einfach nicht entscheiden. Schließlich wurde es der Mutter zu bunt, und sie hupte. Tochter rein, Abgang mit spritzendem Schotter.
Ich lachte. Kurz darauf waren sie wieder da. Mit dampfendem Kühler.«
»Nein.« Fran hob den Kopf an, stützte ihn auf die Faust. Sie grinste erwartungsvoll.
»Ja. Und der Deckel? Klemmte zwischen Kühler und Karosserie. Ich verstehe das nicht. Ich hatte ihn extra noch einmal fest angezogen, sagte ich. - Junger Mann. Ihr Ton ist ganz eisig jetzt. Es mag ja sein, dass Sie so etwas witzig finden, aber ich versichere Ihnen, mein Mann, Bundesrichter so und so, wird darüber nicht lachen können. Ich konnte es nicht fassen. Wie? Sie meinen, ich hätte.. ? - Ich sehe doch, wie Sie
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