PR Posbi-Krieg 01 - Das gestrandete Imperium
halten sich seit Jahrtausenden aus dem politischen Tagesgeschehen heraus.« Die Lüge kam mir glatt über die Zunge. »Die Dienste, die wir unseren Schäfchen anbieten, betreffen andere Bereiche des Menschseins.«
»Blödsinn, Mann!« Seine Worte wirkten schmerzlich intensiv wie Peitschenschläge, während sich der Gesichtsausdruck nicht änderte. »Wir haben Sie und viele Ihrer Kollegen beobachten lassen. Sie werfen uns Stöcke zwischen die Beine. Zugegebenermaßen gehen Sie geschickt und subtil vor, und dennoch äußerst wirksam.«
»Ich verstehe noch immer nicht, worauf Sie hinaus wollen. Wir tun unsere Arbeit und schenken den Alteranern jene Aufmerksamkeit und jenes Verständnis, das ihnen anderswo entzogen wird. Als konfessioneller Freipriester für alle anerkannten Religionen gebe ich den Menschen den Trost ihres Gottes oder philosophiere mit ihnen nach taoistischen oder laoistischen Maßstäben. Würde der Staat seine Hausaufgaben besser erledigen, wären meine Dienste nicht so sehr begehrt.«
»Allein für diese subversiven Worte, die gegen den alteranischen Staat gerichtet sind, könnte ich Sie für eine halbe Ewigkeit nach Gonda versetzen lassen.«
»Wollen Sie das denn?« Ich bemühte mich um ruhige Atmung und eine selbstbewusste Haltung. Jene Tricks und Schliche, die ich am Freipriesterseminar gelernt hatte, kamen nunmehr zur Anwendung. Qui Weixang durfte keinesfalls bemerken, dass die Freien Kirchen -und ich als deren »Speerspitze« - seit langer Zeit auf diesen einen Moment hingearbeitet hatten.
Plötzlich lachte mein Gegenüber. Kurz, abgehackt und keineswegs glaubwürdig. »Die Rolle als Unschuldslamm steht Ihnen schlecht, Freipriester! Wir beide wissen doch, was gespielt wird.« Gelassen rückte er den Sitz seines einfach geschnittenen Anzugs zurecht. »Nach all den Jahrzehnten überbordender Freiheit, sexueller Befreiung, uneingeschränkten Konsumverhaltens und wachsender Orientierungslosigkeit schlägt das Pendel nun in die entgegengesetzte Richtung aus. Wollen Sie etwas trinken, Mann der Kirchen?«
»Einen Schluck Wasser, bitte.« Seine Versuche, mich durch rasche Themenwechsel zu irritieren, kamen plump. Problemlos hielt ich meine Konzentration.
Er schenkte mir aus einer marmornen Karaffe ein. »Also gut, spielen wir mit offenen Karten.«
»Ich dachte, dass wir das ohnehin tun?« Ich gab mir den Anschein der Verwunderung.
Weixang verzog unwillig das Gesicht. »Sie wissen, was ich meine -und wie ich es meine.«
Ich tat so, als müsste ich einen Moment nachdenken. »Einverstanden.«
»Gut.« Der Politiker, der im Verdacht stand, einer jahrhundertealten Han-Sekte anzugehören, machte es sich hinter seinem Schreibtisch bequem und faltete die Hände. »Unsere Demografen und Sozi-alforscher haben diese Entwicklung vorhergesehen. All diese Zügellosigkeit musste einmal ein Ende haben. Meine Vorgänger haben sich als ausreichend weise erwiesen, die Zügel schleifen zu lassen -um sie im richtigen Moment wieder anzuziehen. Die strenge Hand, nach der sich das Volk sehnte, wurde ihm geboten. Wir verordneten den Alteranern ein definiertes Zielprogramm, dem eine atemberaubende Vision zugrunde liegt. Die Rückkehr in den Weltraum schafft ein Gefühl der Aufregung und der Sensation, dem sich kaum ein Mensch entziehen kann. Dieses Manöver hat in den letzten Jahren zu unserer größten Zufriedenheit gewirkt...«
»... und einer straffen, militärisch strukturierten Führungselite Vorschub geleistet«, vollendete ich.
»So ist es.« Qui Weixang bestätigte meine Worte nüchtern und ohne schlechtes Gewissen. »Leider sind wir trotz aller Vorsicht über unser Ziel hinausgeschossen. Wir haben die Leidensbereitschaft des Volkes sichtlich überschätzt.« Er sah mich wieder direkt an. »Womit wir bei den Freien Kirchen und den Freipriestern angelangt wären. Bei Ihnen, einem der profiliertesten Männern des Glaubens. Sie nennen sich wahlweise Scherif, Yogi, Bischof, Swami, Panchen Rinpoche oder Großrabbiner. Subversive Provokation ist jenes Gebiet, auf dem sie sich zu Hause fühlen. Sie eröffnen den Alteranern Fluchtwege und erstellen Modelle, die unseren Vorstellungen entgegenlaufen. Auch wenn die Freien Kirchen es niemals aussprechen würden: Ihr... Verein behindert uns!«
»Wir beharken lediglich jene Wiese, die Sie unbeackert lassen.«
»Und bringen damit die alteranische Regierung in eine unmögliche Situation! Verdachtsmomente werden laut, das Weltraumprogramm sei doch nicht das Gelbe vom Ei.
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