PR Rotes Imperium 01 - Die fossile Stadt
Reizimpulse, die von den Wirkungsstellen in den Kampfanzügen ausgingen, steigerten ihr Leistungsvermögen. Der Mentaltrainer und der Ergonomieberater der Quantroniken sorgten dafür, dass sie sich mit möglichst geringem körperlichen Aufwand durch die ungewohnte Umgebung bewegten.
»Rot und Grün ziehen nach«, gab Gorim bekannt. »Verabredeten Abstand einhalten. Achtet auf Angriffe von den Flanken und von oben. Wiegt euch ja nicht in Sicherheit. Wir müssen davon ausgehen, dass man uns während der nächsten zehn Minuten entdeckt. Gorim Ende.«
Er winkte Yo zu, wollte ihr Mut machen. Sie führte Rot an. Ihrer Gruppe würde gegen Ende der Mission der entscheidende Part zukommen. Schreyver, der linke Flankenführer Yos, schleppte den Kokon mit sich.
Gorim stand auf. Er zerdrückte das Schaumbild. Es zerfiel in kleine, kleinste Partikel und hinterließ keine messbaren Spuren.
Das Pralllicht seines Schutzanzugs reflektierte alle Such- und Prüfimpulse ihrer Gegner. Er musste sich darauf verlassen, dass in diesem Bereich des Geländes keine höherrangigen Taster zum Einsatz kamen.
Rot und Grün folgten seinen Befehlen. Über von Blau markierte Sicherheitswege drangen sie weiter vor. Bedachtsam, und dennoch mit der notwendigen Eile.
Unweit von ihnen befand sich die Dockstation der Cerbiden. Die Geistertiere flogen unablässig die Grenzen jenes Terrains ab, das sie beschützen sollten. Ihre Mäuler schnappten funkenstiebend zu, immer wieder. Das Geräusch ging Gorim durch Mark und Bein, und er konnte sich gut vorstellen, dass sich die unerfahrenen Mitglieder seines Einsatzkommandos soeben vor Angst in die Hosen pinkelten.
Die Cerbiden wechselten willkürlich das Energieniveau. Für ein paar Sekunden hielten sie inne und schnüffelten nach Erkennungsmerkmalen möglicher Feinde.
Gorim atmete tief durch, als sich die Geistertiere wieder in Bewegung setzten. Für zirka zwei Minuten befanden sich die Gruppen in Sicherheit. Er hatte die handlungsrelevanten Energiefrequenzen von Blau, Rot und Grün bewusst gleichgeschaltet. Nur so besaßen sie eine reelle Chance, unbemerkt an den Gegnern vorbeizukommen.
Wenn sie kein Geräusch machten. Wenn die Pralllichter mit der Menge der aufprallenden Suchimpulse zurechtkamen. Wenn niemand die Nerven verlor. Wenn die Cerbiden nicht eine ihrer unberechenbaren Ausfälle unternahmen und, einer Art Instinkt folgend, sich zielgenau auf die Truppenmitglieder stürzten…
»Truppe Blau bei Zwischenziel Drei angekommen!«, wisperte ihm ein Mini ins Ohr.
Das gerade mal stecknadelgroße Übermittlungsgerät hauchte sein Leben aus und flatterte sanft zu Boden. Die kleinen Dinger bewährten sich seit Jahren im Einsatz, vor allem, wenn – wie jetzt – strengste Disziplin übers Funky gewahrt bleiben musste.
Minis wurden von winzigen Propellern angetrieben, die sie unbemerkt durch die Reihen des Gegners brachten. Die Minis hatten eine äußerst begrenzte Lebensdauer. Sie führten einen einzigen Auftrag aus, bevor sie ihr miniaturisiertes Leben verloren.
Die Grenze zum Einflussbereich der Cerbiden war erreicht. Nun galt es. Hopp oder topp. Ihnen blieb ein Zeitrahmen von nicht einmal zwei Minuten. Dann würden sich die Cerbiden neu justieren.
Gorim versiegelte Minis und schickte sie an die Einsatzleiter von Rot und Grün aus, an Yo und Sapperstein. Die beiden Nachrichtenübermittler machten sich mit Höchstgeschwindigkeit auf den Weg. Gorim blickte auf die Uhr. Nur noch 30 Sekunden bis zum Beginn ihres Vorstoßes, nur noch 20…
»Jetzt!«, sagte er sich und stürmte los. Er achtete nicht auf das Klappern, Heulen und Fauchen der Geistertiere, das selbst die Schalldämpfung seines Schutzschirmes durchdrang. Der Schrecken, den die cerbidischen Verteidiger verursachten, beschränkte sich nicht nur auf ihre Kampfkraft; sie waren darauf bedacht, alle Sinne möglicher Gegner zu beeinflussen.
Gorim fühlte schmerzhaft die Reizimpulse seiner Quantronik. Sie zwangen die Muskulatur dazu, möglichst rasche und weite Sprünge zu unternehmen und mehr Leistung als eigentlich möglich zu erbringen. Er würde diesen Einsatz mit Verbrennungen, Überdehnungen und blauen Flecken bezahlen – wenn er denn überlebte.
Die Hälfte des Labyrinths lag hinter ihm. Er hatte keinerlei Gelegenheit, die Fortschritte von Rot und Grün zu überprüfen. Er musste auf sich selbst achten.
Ein Cerbide tauchte aus dem Halbschatten der oberen Ebene herab, fuhr knapp neben ihm heulend durch einen parallelen Verbindungsgang.
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