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PR Rotes Imperium 01 - Die fossile Stadt

PR Rotes Imperium 01 - Die fossile Stadt

Titel: PR Rotes Imperium 01 - Die fossile Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Jahren kam die tapfere Frau in die Kathedrale und lebte ihren Glauben nach Pums Gesetzen. Einmal wöchentlich beichtete sie in einem der kühlen und karg ausgestatteten Ablasszimmer. Nach getaner Arbeit nahm sie stets einen Stoß kleiner Sainties mit; bewegliche Holos, in denen Pums Antlitz vom Glorienschein umstrahlt wurde und der Höchste aller Hohen die Gläubigen aufrief, ihn zu gebenedeien und für alle Zeiten im Herzen zu tragen.
    Hauma verteilte die Sainties unter den Ungläubigen. Bei Regen und bei Sturm, trotz der Repressalien des Imperiums, trotz des Widerstands in ihrer eigenen Familie. Manch einen hatte sie bekehrt und vor den giftigen Klauen Scheitans gerettet. Er durfte sie nicht verlieren; nein, nicht diese Dienerin…
    »Vertraue mir«, singsangte der Erzbischof, »es kommen wieder bessere Zeiten. Man wird sich der wahren Werte besinnen und die himmlische Bedeutung des Verzehrten erkennen.«
    Hauma kam keuchend auf die Beine. Sie schüttelte seine Hände ab und wandte sich schluchzend zur Seite.
    Das Büßertuch kräuselte sich in einem sanften Windstoß, der durch das zugige Oval der Betklause fuhr.
    »Nein!«, sagte sie, ohne ihm in die Augen zu blicken. »Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich bin… bin zu schwach geworden. Mein Glaube ist erloschen. Ich wünsche dir viel Glück und Kraft. Erzbischof. Kraft, die ich nicht mehr besitze…«
    Hauma schlurfte davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Der Erzbischof sah ihr hinterher. Zorn loderte in ihm hoch. Er wuchs an, bis er fast so groß wie Pum in seinem Herzen wurde. Es war ein heiliger, ein verständlicher Zorn. Hauma hätte ihn unter keinen Umständen im Stich lassen dürfen. Von nun an würde alles noch viel schlimmer werden.

24
Ernst Ellert
    »Wie macht man Schlagzeilen? – Indem man den Wahrheitsgehalt einer Meldung verfälscht. Indem man sie wie etwas klingen lässt, das der Wahrheit entsprechen könnte. Ein guter Artikel muss das Interesse wecken, aber auch Zweifel schüren und mit einer Prise Sensationslust gewürzt sein. Sodass der Leser gereizt wird, sich seine eigene Meinung zu bilden und dem Autor zu widersprechen oder ihm, in seltenen Fällen, recht zu geben.«
    So oder ähnlich hatte Schellinger argumentiert, angeheitert nasalierend und von oben herab, als ihm Ernst Ellert sein erstes Zeitungsessay vorgelegt hatte, in der Hoffnung, von einem der mächtigsten Zeitungsmacher Münchens ein lobendes Wort zu erhalten.
    »Das hier«, hatte der alte Mann fortgesetzt, »ist zu nahe an der Wahrheit dran. Lern erst einmal, richtig zu lügen. Und dann komm wieder, Bursche!« Schellinger hatte das fein säuberlich getippte Manuskript zerknüllt und Richtung Papierkorb geworfen. Es kam eine Handbreit daneben zu liegen, umringt von anderen Blättern, auf denen andere Träume anderer Journalisten darauf warteten, von der Putzfrau der Nachtschicht entsorgt zu werden.
    Nun tat Ellert den ersten Schritt auf die Brücke. Sie schwankte unter seinen Beinen. So sehr, dass ihm übel wurde und er augenblicklich zurücktrat, in die zweifelhafte Sicherheit einer düsteren Gesteinslandschaft, die von silbern glitzernden Skarabäen und Skorpionen übersät war.
    Warum, zur Hölle, erinnerte er sich ausgerechnet jetzt an Schellinger?
    Ellert kicherte. Der Ton brach in der riesigen Höhle, wurde zerteilt und zersetzt und kehrte irgendwann grässlich verzerrt zurück. Es war, als hätte er gegen den Wind gespuckt und müsste sich nun die eigene Speie aus dem Gesicht wischen.
    Er hätte das sehen sollen, der Alte, dachte Ellert. Er wäre vor Entsetzen in Ohnmacht gefallen. Weil er dieses Erlebnis niemals, niemals, niemals in eine Lüge hätte umwandeln können.
    Der Trip, den er durchmachte, war so heftig und so allumfassend, dass er jeden seiner Sinne erfasste. Er fühlte, roch, schmeckte, hörte und sah, dass er aus der Holzhütte in dieses seltsame Land vorgedrungen war. Die Szenenfolge erschien absurd – und dennoch in sich logisch.
    Jemand hatte ihn hierher transportiert. Um ihm etwas zu sagen – oder zu zeigen.
    Er musste lediglich die Brücke überqueren – und ein Etwas namens Chahim besiegen.
    Der zweite Anlauf. Diesmal mit mehr Zuversicht und mehr Selbstvertrauen. Er schaltete seine Gefühle weg und hoffte, dass er seinen Verstand soweit beisammen halten konnte, um die paar Schritte über das fragile, aus Wasserstrahlen bestehende Brückenwerk zu überleben.
    Eine Serie von Fontänen spritzte mit ungeheurem Druck aus felsigem Untergrund

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