PR Rotes Imperium 01 - Die fossile Stadt
gequiekten Protestes an sich heran, drückte ihr mit zwei Fingern das Maul zu, in dem winzige und scharfe Nagezähne aufeinander klapperten.
»Jetzt hör mir gut zu!«, sagte Ellert. Er richtete sich auf und hielt den Leib Chahims mit einer Hand fest umklammert. »Ich habe keine Ahnung, was das alles hier soll. Aber ich werde mich nicht von einer Maus davon abhalten lassen, ans Ende meiner Reise zu gelangen.«
»Mörder!«, quiekte Chahim empört. »Du hast kein Recht, mich so zu behandeln!« Seine Stimmung schlug binnen weniger Sekunden um. Er weinte dicke, gelbliche Tränen. »Seit Jahrtausenden bewache ich diesen Durchgang. Ich warte darauf, Heldentaten zu vollbringen und das Dahinter zu schützen. Und dann kommst du daher, ausgerechnet du, mindestens tausendmal so schwer und so kräftig wie ich, und lässt mich versagen. Das ist nicht fair, das ist einfach nicht fair…«
Ellert lehnte sich gegen einen der Felsen, erschöpft und vollkommen leer im Kopf. Dann begann er zu lachen. Leise anfangs, allmählich lauter werdend, bis er die Höhle mit seiner Stimme ausfüllte und sie zu einem riesigen Klangkörper machte.
Die Brücke brach in sich zusammen, das Wasser versickerte im Nichts. Ellert hielt inne, bevor ihn die Hysterie übermannte, und schnappte erschöpft nach Luft. Lange hallte das Echo seines Gelächters nach, bis auch die letzten Felsspitzen, Stalagmiten und Stalaktiten aufhörten zu vibrieren.
»Mit Verlaub: Du bist verrückt«, sagte Chahim. »Und mit Wahnsinnigen will ich nichts zu tun haben. Würdest du mich bitte loslassen?«
»Du versprichst, mir nichts anzutun?«, fragte Ellert.
»Ich sagte ja: Du bist verrückt. Was sollte eine Maus gegen einen ausgewachsenen Menschen anrichten?«
Chahim strampelte energisch mit allen vier Pfoten und kämpfte um Freiraum. Ellert gab nach. Er setzte die Maus auf dem Boden ab und sah zu, wie sie davonlief, um hinter Felsgeröll Deckung zu suchen.
»Kannst du mir sagen, was ich hier eigentlich zu suchen habe?«, rief ihr Ellert ratlos hinterher.
»Bin ich denn derjenige, der den Verstand verloren hat?«, piepste Chahim. Er drehte sich ein letztes Mal um, zwinkerte mit einem seiner Augen und sagte: »Ich würde vorschlagen, dass du dem Pfad weiter folgst. Wen auch immer du triffst: Glaube ihm.«
Die Maus verschwand, die Höhlenlandschaft blieb.
Zwischen zwei übermannsgroßen Micky-Maus-Figuren fand sich ein schmaler Durchgang, der von walzertanzenden Seepferdchen bewacht wurde. Ernst Ellert nahm die Bilder hin, mit derselben Ignoranz, mit der er alles Bisherige akzeptiert hatte. Er würde aufwachen. Irgendwann. Und hoffentlich eine seiner bislang besten Kolumnen schreiben.
Er schob die leise protestierenden Seepferdchen beiseite und trat zwischen nahe stehende Felsen. Dahinter erwartete ihn grelles, blendendes Licht. Ellert hielt eine Hand vors Gesicht und blinzelte. Er machte eine mannsgroße Gestalt gegen den grellen Schein aus. Sie war in eine Rüstung gepackt, die seltsam… leicht erschien. Die Kleidung, blaugrün und mit merkwürdigen Symbolen versehen, schlotterte um die hagere Gestalt seines Gegenübers. Der Kopfteil schien aus purer Energie zu bestehen, die die Gesichtszüge verzog und verzerrte. Es war ein Mann, keine Frage. Die Augen mochten grau sein, die Haare blond oder brünett, die Kinnpartie ließ sein Gegenüber energisch und zugleich humorvoll wirken. Mehr konnte Ellert nicht erkennen.
»Es freut mich, dass du es geschafft hast«, sagte der Mann.
»War nicht leicht, die Maus zu besiegen.«
»Wie bitte?« Der Unbekannte wirkte konsterniert und sehr perplex.
Ellert winkte ab. »Vergiss es. Sag mir lieber, wer oder was du bist. Ein weiterer Wächter auf dem Weg ins Irgendwo oder Nirgendwo?«
»Nein.« Der Mann räusperte sich, straffte seinen Körper. »Du wirst das wahrscheinlich alles nicht verstehen. Aber du hast eine eminent wichtige Funktion für mich und für andere.«
»Ach ja?«
»Du wurdest hierher geholt, weil du eine Begabung hast, die es mir leichter machte, dich zu erreichen. Ich musste dich durch mehrere… Tore schleifen, damit du dich an die Temporaleffekte so gut wie möglich anpassen konntest. Mag sein, dass du, wenn du aufwachst, Kopfschmerzen verspürst.«
»Davon gehe ich aus«, sagte Ellert. »Was auch immer mich erwischt hat – ich hab sicher die volle Dröhnung abbekommen. Das wird sich rächen.«
Sein Gesprächspartner ging nicht näher auf seine Worte ein. »Ich bitte dich, etwas für mich
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