PR Rotes Imperium 02 - Requiem für Druufon
und Rotem Universum leichter referieren konnte als andere über das gestrige Abendessen ... wo sie die Hyperphysik jeden Morgen mit ihrem Rohkorn-Müsli in sich hinein schlang ... wo sie sich ohne jedes Problem in Temporalgenetik und elementarzeitliche Theorie des ersten Jahrtausends eingearbeitet hatte ... wo sie verdammt noch mal sogar seinen Intelligenzquotienten um einiges übertraf ... da war sie körperlich nichts als eine dürre, knochige Vettel.
Bavo allerdings hatte ihr vom ersten Tag an klargemacht, dass er auf derlei Äußerlichkeiten keinen Wert legte und ihm die genetische Verformung ihres Brustkorbs, die ständige Befeuchtungsnot ihrer Haut und die Prothese des linken Beines »nicht das Geringste« ausmachte. Er sei verliebt in sie ... sehe sie mit anderen Augen. Die eine oder andere zufällige Berührung, ein geheuchelter Blick des Begehrens, und sie war lichterloh entflammt. Sie glaubte ihm, dass er nur darauf wartete, mit ihr ins Bett zu gehen - sie glaubte es tatsächlich.
Brillant, aber naiv.
Kein Gegner für einen Bavo Velines, den das Leben gelehrt hatte, den eigenen Vorteil überall zu finden.
Sieh doch, ich bin schließlich auch nicht völlig gesund, hatte er gesagt und ihr von seinen Phantomschmerzen erzählt. Willst du mir daraus vielleicht einen Vorwurf machen? Bin ich deshalb ein schlechterer Mensch als ohne diese Schmerzen? Nein! Und genauso wenig kannst du etwas für deine Krankheit! Hehre, freundliche, einstudierte Worte. Er war schon immer gut darin gewesen, die Dinge so zu formulieren, dass sie ihn in ein gutes Licht rückten. Bavo, der Gefühlsjongleur.
»Wie alt wirst du?«, fragte Armana. »Seltsam, dass wir nie darüber geredet haben.« Sie lachte. »Ich habe nicht einmal deine Personaldatei durchgearbeitet, als du mir damals als Assistent zugewiesen wurdest.«
»Ich feiere meine Geburtstage nicht«, sagte er. »Eine alte Tradition in meiner Familie. Manchmal weiß ich selbst nicht, wie alt ich bin. Vierzig? Dreißig? Fünfzig? Wo liegt der Unterschied? Zeit ist relativ, das wissen wir doch nicht erst, seit wir uns mit dem Roten Universum beschäftigen.«
»Der Zeitablauf dort hat sich seit der letzten Überschneidung mit unserem Universum weiter verändert«, sagte Armana Ashish. Sie war zuverlässig wie ein dressierter Schoßhund: Man musste ihr nur die passenden Stichworte hinwerfen, und sie wackelte mit dem Schwanz, machte Männchen oder ließ sich im Nacken kraulen. Bavo beherrschte diese Technik bis zur Perfektion; Arash war Wachs in seinen Händen. Sie war sein Weg ganz an die Spitze, jetzt noch diejenige, die ihn nach oben zog, aber bald würde er sie als Sprungbrett nutzen und weit hinter sich lassen.
»Die hyperphysikalischen Messwerte sind in dieser Hinsicht eindeutig«, fuhr sie fort. »Wir könnten uns dort wahrscheinlich unser ganzes Leben lang aufhalten, und hier würde nur ein Tag vergehen. Es ist...«
»Vergiss doch einmal die Arbeit!«, forderte Velines. »Es gibt Wichtigeres!«
»Ach, Bavo.« Sie lächelte, gerade als ihr Haarkranz einen neuen Sprühstoß der Befeuchtungsmasse über ihrem Gesicht verteilte. Ganz automatisch schloss sie die Augen; ihre Hände zuckten nicht einmal mehr.
Das Shuwran-Syndrom war eine Krankheit, in die sie sich ergeben hatte - dagegen anzukämpfen, war ohnehin sinnlos. Es gab nur zwanzig bekannte Fälle; all jene Wissenschaftler waren davon befallen, die einst auf dem vagabundierenden Kleinstplaneten Shuwran dem Strahlenschauer einer vorbeiziehenden Sonne ausgesetzt gewesen waren, welche eine danach nie wieder beobachtete heftige Eruptionsphase durchlaufen hatte. Seitdem trocknete die Haut der zwanzig Befallenen in hohem Maß aus. Die Symptome konnten zwar leicht behandelt werden, die Ursache war jedoch nie entdeckt worden. Genauso wenig wie je herausgefunden worden war, warum sich in den ersten Stunden nach dem Strahlenschauer bestimmte Knochensektionen verformt hatten, teilweise so extrem, dass Gliedmaßen abgestorben waren.
Armanas Gesichtshaut sog die Feuchtigkeit begierig auf und glänzte danach rosig wie die eines Babys.
Bavo Velines wusste, dass sich Armana immer noch dafür schämte, auch wenn sie gelernt hatte, es nahezu perfekt zu verbergen. Er überwand seine Abneigung, schüttelte sich noch einmal in Gedanken, ging zu ihr, beugte sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange, dort, wo die Haut am stärksten glänzte. Sie würde ihn dafür lieben. Und er würde schon bald eine weitere Stufe auf der Karriereleiter
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