PR Rotes Imperium 02 - Requiem für Druufon
Mutter an, ob er wieder in seiner versponnenen Fantasie geschwelgt hätte: »Das wird dich eines Tages noch umbringen!«
»Na und?«, fragte er sie. »Wen kümmert's?«
Mali ist verschwunden!
Die Nachricht machte die Runde, und jeder tuschelte darüber. Man suchte nach ihr, mit genetischen Scannern, mit einer Hundertschaft von Freiwilligen.
Das arme Mädchen hatte ein rotes Kleid getragen, als es zuletzt gesehen worden war. Gerade einmal elf Jahre alt war das Kind, und es musste sich im Wald verirrt haben, wenn nicht sogar - das tuschelten die Erwachsenen überall im Dorf hinter vorgehaltener Hand - ein Fremder Mali entführt hatte.
Mali ist verschwunden!
Bavo Velines ging quietsch vergnügt durch den Papierwald, auf seinem Lieblingsweg, die sonnendurchflutete Allee entlang und quer durch den flachen Bach, der so lustig sprudelte, dann in die kleine Höhle in dem Berg. Er hatte allen Grund, sich zu freuen, denn zum zwölften Geburtstag hatte er sich ein Geschenk der besonderen Art gemacht. Nichts so Lächerliches mehr wie irgendwelche Fantasietiere - nein, etwas, das die Aufmerksamkeit des ganzen Dorfes auf ihn lenken würde.
Er hatte Mali ausgewählt, weil sie klein und zart und zierlich war, nicht mehr als Haut und Knochen. Als er im Versteck ankam, schaute sie ihn aus großen blauen Augen an. Die Haut über den Wangen war dreckverschmiert, die blonden Zauselhaare standen strähnig ab.
Aber sie sah selbstverständlich nicht ihn, sondern einen Blues mit großem Tellerkopf. Bavo war nicht sicher, ob er den Außerirdischen hundertprozentig korrekt hinbekommen hatte, aber das spielte keine Rolle: Mali wusste ohnehin nicht, wie ein Blues aussehen musste.
Wenngleich das Ergebnis nicht in allen Details stimmte, war Bavo Velines doch stolz auf den Holo-Vorgaukler, wie er seine kleine Erfindung nannte. Wobei Erfindung sicher leicht übertrieben war. Er hatte nur bekannte Techniken aus einfachen Mitteln zusammengebastelt und im Anschluss daran ein bisschen kombiniert. Er war nämlich schlau. Viel schlauer als die rehartigen Geschöpfe, die er inzwischen als seine erste Schöpfung ansah. Die erste einer langen Reihe. Ganz bestimmt stand ihm, Bavo Velines, ein ganz besonderes Leben bevor. Deshalb wuchs er auch in diesem Dreckloch auf ... weil eine höhere Macht ihn für seine Aufgabe stählen wollte.
»Alles Gute für mich«, sagte er, leise, ganz leise, sodass Mali es nicht hören konnte. »Zum Zwölften nur das Beste.« Und dann, laut, mit quietschend-fiepender Stimme, wie sie ein Blues ganz sicher besaß: »Na, mein Kleines, bald werde ich dich braten und grillen!«
Mali heulte und jammerte.
Bavo kam sich grausam vor, aber er musste eine besondere Show bieten, wenn er für genügend Aufmerksamkeit sorgen wollte. Das Leiden der jungen Mali würde schon bald vorüber sein. »Was ist das?«, sirrte er, so hoch, dass es ihm in der Kehle wehtat. »Da kommt doch jemand!«
Er rannte weg, während er das Mädchen angebunden an dem Holzpflock zurückließ.
Als er weit genug entfernt war, schaltete er den Holo-Vorgaukler aus und legte ihn zur Seite. Jetzt war er wieder Bavo Velines.
Bavo, der Held.
Er rannte zurück durch die Höhle. »Du bist es«, tat er überrascht.
Das Mädchen heulte nach wie vor, Tränen liefen übers Gesicht und tropften auf den steinigen Untergrund.
Bavo band Mali los und nahm sie an der Hand. »Wie dumm von dem Blues, dass er einen einfachen Strick benutzt hat«, würde er später sagen.
Noch immer Hand in Hand erreichten sie das Dorf.
Mali ist wieder da!, hieß es jetzt überall. Und Bavo Velines hat sie befreit!
Alle sahen ihn überrascht an. Wichtige Leute gratulierten ihm und seinen Eltern. Seine Mutter versuchte eifrig, ihre blauen Flecken zu verstecken.
Es gab ein kleines diplomatisches Nachspiel, doch was sollte man schon gegen die Blues unternehmen? Das war ganz zweifellos die Tat eines einzelnen Verrückten gewesen, der genauso gut hätte ein Unither oder ein Ara sein können. Der Blues wurde übrigens nie gefunden, aber Malis Beschreibung war eindeutig.
Für Bavo zählte ohnehin nur eins: Mali ist wieder da! Und Bavo Velines hat sie befreit.
Nach wenigen Stunden schaute ihn niemand mehr überrascht an. Aber bewundernd. Das gefiel ihm.
Bavo Velines lebte sein eigenes Leben. Er hatte viele Freunde, oder viele, die seine Freunde sein wollten, aber er kümmerte sich kaum um sie. Stattdessen legte er sein Archiv an, und er erweiterte es an jedem Tag, sobald die Schule zu Ende
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