PR TB 017 Der Flug Der Millionäre
Mund und lächelte krampfhaft. Die Zähne, die
Mangold erblickte, waren alt. Einige zeigten deutliche Spuren des
Plombierens. Ein Eckzahn war abgebrochen. Kein Zweifel, die Zähne
waren echt. Mangold sank in das Gras zurück. Er schloß die
Augen und versuchte, nicht von dem Wirbel der Vermutungen, Ahnungen,
Befürchtungen und Hoffnungen mitgerissen zu werden. Er mußte
jetzt klar und nüchtern denken, um eine vernünftige
Erklärung für das Unglaubliche zu finden.
»Regenerierung«, sagte er schließlich und zog
Mabel neben sich. »Die Zellen erneuern sich, und damit auch die
Zähne. Eine ganz einfache Erklärung. Garcia und Börsinger
ergeht es ebenso. Sie fühlen sich jünger und gesünder
als je zuvor. Du fühlst dich doch auch jünger.« Sie
schüttelte langsam den Kopf.
»Du brauchst mir kein Theater vorzuspielen, Thor.
Regenerierung, ja. Aber es entsteht nichts Neues. Diese Zähne in
meinem Mund, die meine Prothese verdrängten, sind meine alten
Zähne! Der Eckzahn - er brach vor etwa zwölf Jahren ab. Vor
zehn Jahren erhielt ich die Prothese. Versteh doch endlich, Thor. Es
ist keine Regenerierung im eigentlichen Sinn, sondern etwas anderes.
Es ist, als wäre ich zehn Jahre in der Zeit zurückversetzt
worden.«
Er betrachtete sie genauer. Ja, vielleicht waren es gerade zehn
Jahre, die sie seit der Zelldusche jünger geworden war. Jeden
Tag um ein Jahr. Und die Alpträume nachts mit den Erinnerungen -
auch sie kamen in einem ganz bestimmten Rhythmus und kehrten mit
jeder Nacht um ein Jahr weiter in die Vergangenheit zurück.
Wurde Mabel mit jedem Tag um ein Jahr jünger? Es war ein
ungeheuerlicher Gedanke, wenn man ihn konsequent bis zu Ende dachte,
aber das wollte Thor nicht tun.
Und er mußte versuchen, auch Mabel davon abzubringen.
Überhaupt mußte zuerst herausgefunden werden, ob die
Vermutung stimmte oder auf Täuschung beruhte.
»Was ist dabei so schlimm, wenn du jünger wirst, Mabel?
Weißt du, daß du Barbara immer ähnlicher wirst?
Warum sollen wir uns Sorgen machen um Dinge, die nur günstig
sind? Du wolltest doch die Jugend, jetzt bekommst du sie. Komm,
Mabel. Wir sollten glücklich darüber sein.«
Sie drängte sich gegen ihn, aber die Furcht wich nicht aus
ihren Augen.
»Ist es wirklich so einfach«, flüsterte sie und
ließ zu, daß er sie umarmte. Sie spürte Mangolds
plötzliche Erregung auf sich übergehen, und nur für
eine flüchtige Sekunde kam ihr der fürchterliche Gedanke,
daß er in ihr nur Barbara sehen könnte, aber dann vergaß
sie es.
All ihre Furcht, alle ungelösten Fragen und alles
Unbegreifliche versankin einem wilden Taumel unerwarteten Glücks.
9.
Börsinger kam dahinter, als seine Haare dichter wurden.
Daß er sich jünger fühlte und seine kleinen
Beschwerden verlor, kümmerte ihn nicht weiter. Er freute sich
zwar darüber, aber er machte sich keine Gedanken. Er genoß
die neue Jugend und holte alle jene Dinge nach, für die es auf
der Erde niemals Zeit gegeben hatte. Vielleicht hätte er auch
dort kein Interesse für sie gehabt. Er badete, ging spazieren
und jagte in der Steppe. Um Garcia kümmerte er sich weniger,
aber er hatte Anschluß an Lancaster gefunden, dem das freie und
ungebundene Leben ebenfalls Spaß zu machen schien.
An diesem zwölften Tag nach der Zelldusche verließ
Börsinger seine Hütte wie immer, badete im Meer und
bereitete sich dann auf einen Fußmarsch in die Steppe vor.
Lancaster kam mit den beiden Gewehren. Er blieb vor Börsinger
stehen, betrachtete ihn erstaunt und fragte:
»Nanu, was haben Sie denn mit Ihren Haaren gemacht?«
Börsinger strich sich über den Kopf. Er stutzte. »Was
soll ich damit gemacht haben? Beim Friseur war ich jedenfalls nicht.«
Lancaster schüttelte den Kopf.
»Merkwürdig. Ich hätte schwören können,
daß Ihre Haare länger geworden sind. Gestern trugen Sie
noch Ihre üblichen Stoppeln, und heute haben Sie einen
Scheitel.«
»Einen Scheitel?« Börsinger lachte und strich
sich erneut über die Haare. Er fühlte den Unterschied. »Ich
habe meinen Scheitel vor zwölf oder dreizehn Jahren aufgegeben.
Aber Sie haben recht. In der vergangenen Nacht sind meine Haare um
glatt fünf Zentimeter gewachsen. Komisch, wirklich komisch.«
Garcia kam aus der Hütte. Er streckte sich und gähnte.
»Macht nicht so einen Krach. Man kann nicht einmal richtig
ausschlafen.«
Börsinger und Lancaster starrten Garcia an, als wäre er
ein Gespenst. Der Südamerikaner hatte ganz schwarze Haare. Bis
gestern waren sie
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