PR TB 023 Der Einsame Von Terra
Boden, hob
dann langsam den Kopf und merkte, daß es vor ihm totenstill
geworden war.
»Was wollt ihr von mir?« fragte er.
Nkalay antwortete:
»Die Terraner des Hafens haben ihr Wort gebrochen. Wir
verlangen Rechenschaft.«
Mit einem Ton, als ob ein Vorhang riß, platzte die
Energiemauer auseinander; zwei Fronten entfernten sich in die
Richtung der beiden Projektoren. Ein einziger Sprung brachte Seymour
über die Grenzlinie, und er standjetzt dicht neben dem Rücken
einer der Amazonen. Hinter ihm prallten die leuchtenden Mauern wieder
aufeinander. Vor ihm kam Bewegung in die Massen. Sie schoben sich
vorwärts, und Seymour bemerkte flüchtig eine Ansammlung der
verschiedensten Waffen. Vom einfachen Jagdgewehr bis zum riesigen
Morgenstern war ziemlich alles vorhanden.
Um ihn schloß sich der Kreis der Amazonen. Seymour torkelte
vorwärts; er vermochte nicht mehr, gerade zu stehen. Er ging auf
das Tier zu, auf dem Nkalay saß und griff mit der rechten Hand
nach dem hochgeschnallten Steigbügel. Das Tier wurde unruhig,
und der Mann, der es hielt, verstärkte seinen Griff.
»Ruhe«, sagte Nkalay fast mitleidig, als sie Seymour
sah, »jeder, der von uns angeklagt ist, hat das Recht, sich zu
verteidigen.«
Seymour nickte.
»Sprich, Mutter aller Klans«, sagte er müde. »Was
wirft man uns vor? Außer mir ist hier kein Terraner, der
zuhören könnte, und auch die Geräte im Turm - sie
reichen nicht so weit.«
Eine vereinzelte Stimme ertönte, mitten aus der Menge:
»Schlagt ihn tot... er hat uns verraten!«
Der Schrei endete in einem erbitterten Gurgeln.
»Wie lautet die Anklage, Nkalay?« fragte Seymour
wieder. Um ihn herum drängten sich die Shand'ong. Wie lauernde
Bestien ...
»Vier Männer, die unter der Verantwortung der Terraner
des Hafens standen, haben das Geheimnis des Tau Ssagis, unser
einziges und letztes Geheimnis, entweiht, geschändet und es mit
sich genommen.
Ein Mann aus dem Wächterklan der Stadt K'tin Ngeci ist
ermordet worden. Tritt vor, Mutter der Wächter.«
Eine Frau trat in den Kreis, der sich für einen kurzen Moment
öffnete. Sie blickte zuerst Seymour Alcolaya an, bemerkte
schnell die Spuren der erbitterten Kämpfe, dann blickte sie hoch
zu Nkalay. »Ein Mann meiner Sippe ist gestorben. Seine Kinder
haben keinen Vater, sein Weib hat keinen Gatten mehr. Das muß
gesühnt werden. Darauf steht, seit Jahrhunderten der Geschichte,
Tod. Tod dem Mörder oder dem, der zuließ, daß
gemordet wurde.«
»Ist das alles, Frau?« fragte Seymour und blickte sie
starr an.
Sie senkte den Kopf, warf ihn trotzig wieder hoch und funkelte
Seymour an.
»Ja. Das ist alles. Der Tod!«
Seymours Gesicht blieb ausdruckslos.
»Weiter, Nkalay. Sage mir, was weiter vorgebracht wurde.«
»Das gestohlene Geheimnis des Ssagis, Tau Ssagis. Du weißt
es, die vier Männer und die Frau, die stets mit dir ist, wissen
es. Sie alle müssen sterben.«
Wieder bewegten sich, wie der Chor in einer antiken Tragödie,
die drängenden Massen um einen Schritt vorwärts. Ein Wall
von stoßenden, schiebenden und fordernden Menschenleibern umgab
die kleine Gruppe, und es war nur die absolute Autorität der
Mutter aller Klans, die bisher einen Lynchmord verhindert hatte - den
Mord an Seymour.
Nkalay sprach weiter, während Seymour sich am Sattel
festhielt.
»Und die beiden Verletzten des heutigen Nachmittags. Sie
wurden zu Korco-Aghan gebracht, der sie zu behandeln begann. Wir
kamen und erklärten, sie wären h'sayz, und Korco zog sich
zurück. Dann kamen unsere Heiler, kümmerten sich um sie -
und sie wurden überfallen. Carayns und Aghan flohen, nachdem sie
die beiden Heiler niedergeschlagen und neben den Verletzten
liegengelassen hatten. Auch dafür steht in unseren Gesetzen der
Tod.«
»Ist das alles, Nkalay?« fragte Seymour wieder zurück.
Die Mutter der Klans nickte.
»Ja, das ist alles, Seymour. Unser Volk schreit nach Rache.«
Seymour schwieg einige Minuten lang und sammelte sich. Dann
richtete er sich auf; die Kugel in seiner Wirbelsäule schmerzte
wie ein glühender Stein. Er hob beide Hände hoch, drehte
sich in die Mitte des Kreises und rief laut:
»Die Mütter der Klans - kommt bitte in diesen Kreis.
Ihr sollt hören, was ich zu sagen habe.«
Die entstehende Unruhe und die Verwirrung nutzte Quattaghan aus,
um mit Noyahrt zusammen sich dorthin zu stellen, wo der Rücken
Seymours gegen den Kreis wies. Noch immer hielten Autorität und
Maschinenwaffen die Menge in Schach.
Wie lange noch ...?
Die
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