PR TB 024 Baumeister Des Kosmos
nicht", antwortete Jana.
„Kommen Sie mit, wir werden nachsehen."
Jana hatte nichts dagegen einzuwenden. Überhaupt schien ihr
Initiative völlig zu fehlen. Sie wirkte merkwürdig
uninteressiert, nicht etwa gelangweilt, sondern so, als wäre der
größte Teil ihres Bewußtseins irgendwo anders. Auch
die Art, wie sie sich bewegte, war die einer Marionette. Lon kam der
Gedanke, sie müsse unter irgendeiner Art von hypnotischem
Einfluß stehen. Ihr Denkprozeß war gehemmt. Sie war nicht
Herrin ihrer Vernunft. Das würde erklären, warum Jelly
keinerlei gedankliche Ausstrahlung wahrnehmen konnte.
Der Raum hinter der benachbarten Tür erwies sich als ein
Duplikat des Zimmers, in dem Jana lebte. Die Einrichtung bestand aus
identischen Möbelstücken, und das große Fenster ging
ebenfalls zur Straße hinaus. Allerdings gab es keinerlei
Anzeichen dafür, daß das Gemach jemals einen Bewohner
gehabt hätte.
Lons Geduld war plötzlich zu Ende. Unbeherrscht fuhr er Jana
an:
„Reden Sie schon! Wie sind Sie hierhergekommen? Wo kamen Sie
her? Auf welche Art und Weise fristen Sie Ihr Leben? Woher bekommen
Sie Lebensmittel? Mit welchen Leuten haben Sie Kontakt, und wo wohnen
diese Leute? Machen Sie endlich den Mund auf - ich habe kein ganzes
Jahr lang Zeit!"
Einen Augenblick lang sah es so aus, als beeindruckte der
unerwartete Ausbruch Jana ebenso wenig wie alles Vorhergegangene.
Dann jedoch öffneten sich ihre Augen weit, wie unter heftigem
Schock, und der Blick wurde unnatürlich starr. Sie taumelte
rückwärts.
Geistesgegenwärtig reckte Jelly sich in die Höhe und
stützte sie. Eine halbe Minute lang war sie wie bewußtlos.
Die Augen hatten sich geschlossen, und das Gesicht war unnatürlich
blaß.
Schließlich begann sie sich zu regen. Jelly richtete sie
vollends auf.
Sie öffnete die Augen und sah Lon verächtlich an.
„Schnüffler!" zischte sie ihm entgegen.
„Wenn Sie schon alles wissen müssen, dann kommen Sie!"
Ohne auf eine Reaktion zu warten, schritt sie zur Tür hinaus
und wandte sich nach links zum Hauptgang hin. Lon war so verblüfft,
daß er ihr erst nach ein paar Sekunden folgte. Er erwischte sie
gerade noch, bevor sie sich in den Aufzugsschacht hineinschwang. Er
packte sie am Arm und drehte sie herum, so daß sie ihn ansehen
mußte.
„Wir sind auf einer Sondermission, Mädchen",
knurrte er. „Und du wirst in Zukunft nur das tun, was ich dir
sage. Ist das klar?" Jana nickte. In ihrem Blick lag Trotz.
„Klar, Schnüffler. Was jetzt?"
„Dort hinunter", erklärte Lon und zeigte auf den
Schacht. „Aber zwischen mir und Jelly."
„Chaiij -aiij -ckaaa!" stieß Jelly hervor. Ganz
offensichtlich war er aufgeregt.
Lon nickte befriedigt. Jelly behauptete, er nähme jetzt
gedankliche Ausstrahlung wahr.
Lon hatte nichts anderes erwartet. Sein Zornesausbruch hatte Jana
aus ihrer Benommenheit geschreckt. Ihr Bewußtsein arbeitete
jetzt selbständig.
In der angeordneten Reihenfolge glitten sie durch den Schacht
hinunter. Etwa auf halber Höhe nahm Lon zum erstenmal ein
dumpfes, brausendes Geräusch wahr, das von da an stetig
anschwoll und die Wände des Gebäudes erzittern ließ,
als sie schließlich im düsteren Bogengang des
Erdgeschosses standen. Lon warf Jelly einen fragenden Blick zu. Jelly
wand sich verlegen und sagte leise:
„Chaiij - ckaa - ckaa ...?"
Kein Wunder, dachte Lon. Das würde ich mich auch nicht
getrauen, laut zu sagen. Aber er war seiner Sache alles andere als
sicher. Er nickte Jana zu. Sie trat vor das Tor hin und ließ es
auffahren. Um ein Vielfaches verstärkt ergoß sich der Lärm
durch die halbkreisförmige Öffnung. Blinzelnd starrte Lon
in das helle Sonnenlicht.
Da sah er, daß Jelly recht gehabt hatte. Überall auf
der weiten Straßenfläche bewegten sich huschende,
blitzende Gebilde, manche so rasch, daß das Auge sie nicht
erfassen konnte, andere mit mäßiger Geschwindigkeit und
wiederum andere so langsam, daß Lon ihren stromlinienförmigen,
zum Teil verglasten Aufbau erkannte. Durch die Verglasung hindurch
sah er die Gestalten der Leute, die die Fahrzeuge steuerten, und
ihrer Fahrgäste. Hin und wieder durchquerte ein Fußgänger
am Rand der Straße sein begrenztes Blickfeld. Die Leute in den
Fahrzeugen und die Fußgänger wirkten auf merkwürdige
Art und Weise zielbewußt. Sie wußten, was sie wollten.
Lon wurde sich dessen mit schmerzender Deutlichkeit bewußt. Es
gab keinen Vergleich zwischen der schattenhaften Gestalt, der er
zuvor auf der Straße begegnet war,
Weitere Kostenlose Bücher