PR TB 055 Vom Weltraum Besessen
Wohnblocks
gelang es ihm, noch einmal kurz mit Roger Garfield zu sprechen. Roger
sah blaß und übernächtigt aus. Wahrscheinlich hatte
er kaum geschlafen.
„Noowee schafft es schon“, flüsterte
Kendall ihm zu. „John und ich haben morgen Routinedienst im
Kybernetischen Zentrum. Es wird nicht allzu schwierig sein, deine
Probleme von Fall zu Fall positronisch bearbeiten zu lassen und dir
die Resultate durchzugeben.“
„Ich weiß nicht“, sagte Roger
zögernd und fuhr sich mit zwei Fingern in den Halsabschluß
seiner Kombination. „Wenn man dahinterkommt, fliegen wir alle.
Es wäre nicht fair, euch mit hineinzuziehen, Frank.
Außerdem hat die Sache noch eine moralische
Seite.“
Kendall kaute auf seiner Unterlippe. Er war sich
klar darüber,, daß das, was sie vorhatten, Betrug war.
Abgesehen von der Entdeckungsgefahr widersprach das seinen
moralischen Grundsätzen. Aber andererseits hielt er es für
ungerecht, einen Kadetten vier Wochen vor dem Abschluß an einem
hypermathematischen Experiment scheitern zu lassen. Offiziell konnte
niemand dagegen ankämpfen. Also blieb nur die Flucht in die
Illegalität.
„Niemand wird etwas merken, Roger!“
erklärte er bestimmt.
„Und wenn schon! Ich will lieber
rausgeworfen werden als einer Ungerechtigkeit tatenlos zuzusehen.“
Sie zuckten zusammen, als eine Lautsprecherstimme
Kendalls Namen rief und ihm befahl, sofort in der Einsatzleitung zu
erscheinen.
„Wir sehen uns heute abend wieder, Roger!“
sagte er beruhigend und verabschiedete sich hastig. Er rannte auf dem
Transportband entlang, um die Verspätung so klein wie möglich
zu halten. Dennoch mußte er einen Anpfiff einstecken.
Bis zur Mittagspause war der heutige Einsatz in
allen
Einzelheiten durchgesprochen. Die Kadetten durften
noch schnell essen, dann hatten sie sich bei ihren Maschinen
einzufinden.
Franklin Kendall war erfreut darüber, Eddie
Burke als seinen Kopiloten zu sehen. Gemeinsame Einsätze kamen
in letzter Zeit kaum noch vor, und auch in den vergangenen fünf
Jahren war es höchstens zwanzigmal geschehen.
„Gratuliere!“ begrüßte ihn
Eddie.
Franklin blickte ihn fragend an.
„Wozu?“
„Zum Staffelkapitän. Oder ist das
nichts?“
Kendall winkte ab und schaltete die
Telekomverbindung zu den übrigen Maschinen der Staffel ein. Man
hatte ihm für den Paradeflug die Funktion eines Staffelkapitäns
übertragen, na schön! Nach fünf Jahren härtester
Ausbildung hätte jeder Kadett diese Aufgabe erfüllen
können. Aber nein, ausgerechnet er war ausgewählt worden.
Wegen eines besonders stark ausgeprägten Verantwortungsgefühls,
wie Oberleutnant Joel Davis sich ausgedrückt hatte.
„Eichkater an Nachteulen!“ meldete er
sich mit den befohlenen Kodezeichen. „Hundertdrei minus eins!“
Auch die Zahlenangabe war kodiert; ohne Kenntnis des Schlüssels
konnte man ihre Bedeutung lediglich erraten. In diesem Fall mußten
die Piloten der Moskito-Staffel von ,hundertdrei‘ drei abzählen
und sowohl Minuszeichen als auch ,eins‘ unbeachtet lassen; daß
das Resultat bedeutete: Noch hundert Sekunden bis zum Start.
Nacheinander flammten die grünen
Kontroilampen vor Franklin Kendall auf, das Zeichen für
Einsatzbereitschaft der Staffeljäger. Einzelmeldungen durften
nur aus genau festgelegten Gründen gegeben werden.
Burke tippte ihm von hinten auf die Schulter.
Franklin verstand und desaktivierte den Sendeteil des Telekoms.
„Du quälst dich mit Gewissensbissen
wegen der Sache mit Roger“, sagte Eddie offen. „Ich auch.
Aber es gibt keinen anderen Weg, ihm zu helfen. Wir dürfen ihn
einfach nicht im Stich lassen. Schließlich ist man nicht nur
deshalb ein schlechterer Offiziersanwärter, weil man bei einer
einzigen Aufgabe versagt hat.“
„Am liebsten würde ich mit
Staatsmarschall Bull reden!“ stieß Franklin zwischen den
Zähnen hervor. „Er erinnert sich ganz gewiß an uns.“
Eddie Burke lachte trocken.
„Erstens kommst du bestimmt nicht an ihn
heran -und zweitens kann auch ein Staatsmarschall nicht die
Bestimmungen der Akademie umstoßen.“
„Er ist kein gewöhnlicher
Staatsmarschall“, widersprach Kendall. „Niemand wird ihm
widersprechen, wenn er in die Ausbildung eingreift.“
„Gerade das tut er nicht. Wäre er nicht
absolut sauber in seinen Handlungen, er würde auch als Freund
Rhodans kein Staatsmarschall geworden sein.“
Kendall seufzte.
„Du kannst dir nicht vorstellen, was für
eine Wut ich im Bauch habe, Junge! Auf die Prüfungsbestimmungen,
auf
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