PR TB 059 Projekt Kosmopolis
vielleicht jene Spuren der Diasporer
finden, die auf der Erde nur noch als rätselhafter Hauch
vorhanden waren.
Er wurde aus seinen Betrachtungen gerissen, als Ka-Later in die
Hände klatschte.
Eine junge Frau, fast ein Kind noch, kam herein und wartete in
leicht vorgeneigter Haltung.
Ka-Later befahl etwas.
Kurz darauf wurden von drei Dienerinnen Speisen und Getränke
aufgetragen. Ka-Later bat seine Gäste, auf den bequemen Sesseln
aus Holz und gepolstertem Flechtwerk Platz zu nehmen. Erfreut
erkannten die
Terraner in den Speisen dampfendes Hammelfleisch und Hirsebrei,
Fladenbrote und gebackene Datteln. Dazu gab es schweren, süßen
Wein in vergoldeten Pokalen,
Sie aßen mit Appetit. Lediglich eine Speise rührten sie
nicht an, nachdem Burke sie als geröstete Heuschrecken
identifiziert hatte. Auch am Wein nippten sie nur vorsichtig; sie
mußten einen klaren Kopf behalten.
Nach dem Mahl setzten Lyra Rawlins und ihr Gastgeber ihre
Sprachstudien fort.
Ka-Later berichtete - so „übersetzte" es die
Kybernetikerin jedenfalls -, sein Volk, das er das Auserwählte
nannte, habe noch vor drei Generationen jenseits des Timbari-Plateaus
in der Oase Kirian gelebt. Eines Tages seien die Himmelsgötter
mit feurigen Wagen herabgestiegen und hätten sich in einem
feierlichen Ritual mit den Oasenbewohnern vermählt. Die Götter
nahmen sich alle Mädchen des Stammes zu Frauen, und die
unverheirateten Männer wurden von Göttinnen genommen. Das
gleiche geschah in der nächsten Generation. Ka-Later sagte, die
Götter hätten beschlossen, alle Menschen - er sagte
tatsächlich Menschen - nach ihrem Bilde zu formen. Und es wäre
ihnen gelungen.
Danach seien die Götter wieder aufgebrochen. Bevor sie mit
ihren Himmelsbarken davonflogen, hätten sie König Sur-id
genaue Anweisungen gegeben, wie er seinen Körper nach dem Tod
erhalten könnte, damit die Götter ihn bei ihrer Rückkehr
wiedererweckten.
Eigentlich, erzählte Ka-Later, hätte man die Rückkehr
der Götter nicht so früh erwartet, denn ihre Anweisungen an
König Sur-id besagten, er müsse sich eine Lagerstätte
bauen, die die Zeiten überdauerten und auch vom Gott „Atom"
nicht zerstört werden könne.
Bei der Erwähnung dieses Namens blickten Eddie und Franklin
sich bedeutsam an. Auch in der Mythologie der alten Sumerer Terras
war von einem Gott gleichen Namens die Rede gewesen; Die Sumerer
hatten ihn allerdings Aton genannt, doch diese unwesentliche
Verstümmelung mochte durch die mündlichen Über
lieferungen eingetreten sein. Und es war eine Tatsache, daß
auch die terranischen Grabpyramiden nicht vom entfesselten Atom
zerstört werden konnten. Sie waren Lagerstätten für
die Könige A die an eine körperliche
Wiedererweckung glaubten und dafür gesorgt hatten, daß sie
bis dahin unversehrt blieben.
„Frage ihn, wie die Pyramiden von Essaf gebaut wurden,
Lyra!" sagte Kendall.
Lyra Rawlins nickte.
„Ich bin schon dabei. Aber Ka-Later hat offenbar
Schwierigkeiten, die Vorgänge beim Bau sachlich richtig zu
formulieren. Ihm fehlen die entsprechenden Begriffe."
Erneut wandte sie sich dem Fremden zu. Das Gespräch dauerte
schon länger als zwei Stunden, und sowohl bei Lyra als auch bei
Ka-Later waren unübersehbare Anzeichen geistiger Erschöpfung
zu bemerken. Eine halbe Stunde später brach Lyra die
Unterhaltung ab. Ka-Later saß mit geschlossenen Augen in seinem
Sessel und schwankte leicht. Für ihn war das alles zuviel
gewesen.
„Ka-Later konnte mir keine erschöpfende Auskunft
geben", berichtete die Medokybernetikerin. „Seinen Worten
nach wurden die Steinblöcke zum Bau der Pyramiden aus dem
Timbari-Plateau gebrochen und von Arbeitern zum Bauplatz getragen. Er
weiß anscheinend nichts von der Hilfe der Götter. Aber es
dürfte sicher sein, daß beim Transport
Schwerkraftneutralisatoren und Traktorstrahler verwendet wurden.
Anders ist die Erbauung der Pyramiden innerhalb einer Generation gar
nicht denkbar."
„Genau wie auf der Erde", sagte Franklin Kendall. Er
gähnte. „Nun, wir wissen ja durch En-ki Bescheid. Ich
wollte mir nur Gewißheit verschaffen. Auf der Erde muß
damals etwas dazwischengekommen sein, denn die Götter kehrten
nicht zurück, und die Könige wurden nicht wiedererweckt."
„Wahrscheinlich war es auch nicht so geplant", meinte
Burke. „Ich denke mir, die .Götter' rechneten sich a us,
wann die irdische Menschheit selbständig Metho
den zur Wiederbelebung konservierter Leichen entwickelt haben
würde. Die Erweckten hätten dann
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