PR TB 061 Der Planetenkönig
entfernen. Stoke fühlte, wie abgrundtiefe Müdigkeit
von ihm Besitz ergriff. Er spürte, wie dumpfe Taubheit an ihm
emporkroch und ihn in einen Automaten verwandelte, der nach
festgelegter Programmierung anstatt aus eigenem Antrieb handelte. Er
wußte, daß die nächsten zwei Stunden die
Entscheidung bringen würden - so oder so. Die Wirkung der
Drogen, die er benutzt hatte, um sich genügender Ausdauer zu
versichern, verebbte rasch. Seit zwei Stunden stand ihm gemäß
den Regeln eine einstündige Ruhepause zu. Er hatte sie nicht
genützt aus Furcht, er werde den zerschlagenen Körper nicht
mehr in Bewegung setzen können, wenn er ihn einmal angehalten
hatte, und weil er Agbro keine Gelegenheit geben wollte, sich von dem
Bann zu befreien, mit dem die Aussicht auf eine Niederlage ihn
geschlagen hatte.
Er fuhr fort und warf weitere elf Barone zu Boden. Damit hatte er
56 644 Punkte gegen 75 625 mögliche, die Agbro im
allergünstigsten Falle noch erringen konnte. Er legte eine Pause
von zehn Minuten ein und ließ sich von seinen Dienern
erfrischen. Dem Gegner stand die Option einer Pause nicht zu, weil
keiner von Agbros Gehilfen die nötige Anzahl von Gängen
allein bewältigt hatte.
Nach der Pause trat er gegen den letzten Baron auf Agbros Liste
an. Er besiegte ihn mühelos und erhöhte damit seinen
Punktestand auf 58 564, wogegen Agbro, wenn von nun an alles zu
seinen Gunsten ging, noch 62 500 Punkte erringen und damit den
Zweikampf für sich entscheiden konnte. Nichtsdestoweniger war
ein kritischer Punkt erreicht, und die Spannung überall auf dem
Feld, unter den Zuschauern wie unter den Kämpfern, war
unverkennbar. Kein Laut war mehr zu hören außer den
Geräuschen, die die stets unruhigen Pa-Anu verursachten.
Wenn Stoke den nächsten Gang gewann, hatte er den gesamten
Zweikampf gewonnen. Als nächster mußte ein Graf gegen ihn
antreten. Der Sieg über einen Grafen zählte vor Anwendung
der Proportionalitätsregel acht Punkte. Ein Sieg würde
Stokes Punktzahl auf 62 500 erhöhen. Dagegen konnte Agbro,
selbst wenn alle darauffolgenden Gänge von einem einzelnen
seiner Gehilfen gewonnen würden, nur noch eine Gesamtzahl von 50
675 Punkten sammeln. Die Richter würden es in diesem Fall dem
Sieger überlassen, ob die restlichen Gänge noch ausgetragen
werden sollten, und im Falle einer ablehnenden Antwort den Sieg
offiziell verkünden.
Es war nicht überraschend, daß die Vorbereitungen zu
diesem entscheidenden Gang auf Agbros Seite etwas länger
dauerten als gewöhnlich. Die Richter machten den Fürsten
darauf aufmerksam, daß er zu keiner Unterbrechung des
Kampfablaufs berechtigt sei, und Agbro konterte mit der Eröffnung,
daß sein erster Graf mit seiner eigenen Lanze antreten wollte,
die infolgedessen zuerst vom Richterkollegium untersucht werden
mußte.
Stoke wurde zur Untersuchung hinzugezogen. Dieses Recht stand ihm
zu. Agbros Forderung, eine neue Lanze verwenden zu dürfen, hatte
unverzüglich seinen Verdacht erregt. Er war mißtrauisch
und vermutete einen Schwindel, nicht zuletzt deswegen, weil er sich
selbst einen Schwindel zunutze machte. Er schwang sich auf sein Tier,
seine eigene Lanze bei den Dienern zurücklassend, und schlug dem
Pa-Anu die Hacken in die Flanken, als er einen lanzenschwingenden
Berittenen sich auf der gegenüberliegenden Seite des Kurses aus
der dichtgedrängten Gruppe von Agbros Gehilfen lösen sah.
Er beobachtete den Mann, während sie sich in annähernd
gleichem Tempo dem Richtertisch näherten. Er war mittelgroß
und hager, wenn nicht gar dürr, und schien kaum in den Kreis der
kräftigen, jungen Kämpfer zu passen, die Agbro für
dieses Turnier aufgeboten hatte. Der Dürre, den Agbro als den
Grafen Aldo von Aleu hatte ausrufen lassen, trug einen Kopfschutz,
der ihm bis tief in die Stirn herabreichte und sein Gesicht
beschattete. Stoke glaubte zunächst, an seinen Bewegungen etwas
Bekanntes zu erkennen; aber er schob die Wahrnehmung auf seine
Erregung und sein durch die lange Anstrengung getrübtes
Urteilsvermögen und beachtete sie nicht.
Die beiden Berittenen nahmen nebeneinander vor dem Richtertisch
Aufstellung. Beide sahen starr geradeaus. Der Graf reichte die Lanze
einem der Richter, und Stoke sah die Richter die Spitze in der zuvor
praktizierten Weise sorgfältig untersuchen.
»Dies ist Ihre eigene Lanze, hochgeborener Graf?«
erkundigte sich der Sprecher des Kollegiums.
»Meine eigene Lanze«, bestätigte Graf Aldo.
»Geheiligt durch den Gebrauch meiner
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