PR TB 067 Der Endlose Alptraum
zu sein, brachte sie in
Verlegenheit.
»Er liebt dich, er haßt dich und vergißt
schnell, was er dir antut, willst du das damit sagen?«
versuchte Janz ihr weiterzuhelfen.
Ylina schüttelte den Kopf. »Ich will nicht über
das sprechen, was er mir alles schon angetan hat«, sagte sie
verstockt. »Es ist - zu schrecklich. Es hörte sich an, als
sei alles nur einer krankhaften Phantasie entsprungen.«
Janz sagte ihr, niemand verlange, daß sie über die
Greueltaten ihres Vaters spreche.
»Behalte es für dich und versuche, zu vergessen«,
fügte er hinzu.
Janz ging zu seiner Satteltasche und packte aus. Ylina und Gallos
harrten weiterhin auf ihren Plätzen aus und unterhielten sich
leise.
Sprachen sie nur deshalb so leise, weil sie Erdega nicht wecken
wollten? Oder war es auf eine Vertrautheit zurückzuführen,
die in dieser kurzen Zeit zwischen ihnen entstanden war? Würde
zwischen den beiden überhaupt ein intimeres Verhältnis
zustande kommen können? Janz zweifelte ernsthaft daran. Gallos
würde wahrscheinlich
nichts dagegen haben, ihn, Janz, und Erdega bei Ylina
auszustechen. Aber Ylina selbst würde davon bestimmt nicht viel
halten.
Trotz der Dunkelheit begann Janz damit, sein Strahlengewehr zu
zerlegen und zu reinigen.
Er konnte seine Gedanken nicht auf seine Tätigkeit
konzentrieren, immer wieder schweiften sie ab und beschäftigten
sich mit dem, was er aus der Unterhaltung zwischen Ylina und Gallos
aufschnappte.
Ylina erzählte ein wenig über sich.
Ihr Vater war Schausteller. Er bot seinem sensationslüsternen
Publikum ein makabres Programm, in der Hauptsache menschliche
Kuriositäten, die obskure Kunststücke vollführten.
Aber das genügte den Schaulustigen, denn sie kamen nicht, um
akrobatische Leistungen zu bewundern, sondern um die mißgestalteten
Akteure zu sehen. Ylina hatte dieses Leben nicht mehr ausgehalten,
sie hatte die bedauernswerten Wesen bedauert, die von ihrem Vater
gedemütigt wurden. Sie lief davon. Ihr Vater hatte alles liegen
und stehen gelassen und hatte sie verfolgt - so lange, bis er sie in
dem Rasthaus aufspürte.
»Ich kann es immer noch nicht fassen, daß die
Schrecken für mich nun ein Ende haben sollten«, sagte sie.
»Ich habe immer das Gefühl, mein Vater könne hinter
dem nächsten Baum oder Felsen hervortreten, um mich zu sich
zurückzuholen. Es könnte jetzt sein, oder morgen, oder
irgendwann - aber ich weiß, daß es geschehen wird.«
»Nicht, solange ich bei dir bin«, erklärte
Gallos.
»Und solange ich dabei bin«, fügte Janz hinzu.
Für einen Moment traf sich sein Blick mit dem des Schatzsuchers.
Gallos wandte die Augen ab.
»Jedenfalls«, sagte er, »werden wir vier eine
Weile zusammen sein. Es sollte uns nicht schwerfallen, dich vor
deinem Vater und allen anderen Gefahren zu schützen.«
Janz zuckte bei den letzten Worten des Schatzsuchers unwillkürlich
zusammen. War das eine versteckte Anspielung? Oder gar eine Warnung?
Ylina erhob sich, sagte, sie sei müde und daß sie sich
schlafen legen wolle. Sie verschwand im Geländewagen.
Gallos folgte ihr mit den Worten: »Ich bin auch hundemüde.«
Janz biß die Zähne aufeinander. So saß er lange
da - bis nur noch Gallos' gleichmäßiges Schnarchen aus dem
Geländewagen kam. Aber auch dann blieb er, wo er war. Er hatte
sich dazu entschlossen, die Nacht im Freien zu verbringen und Wache
zu halten. Er faltete den Schlafsack auseinander, schaltete die
Heizung ein und schlüpfte hinein. Die Nacht wurde bitterkalt.
Er lag wach da, die Waffe fest umklammert.
Er machte die ganze Nacht kein Auge zu.
Gegen Mitternacht sah er Erdega den Geländewagen verlassen,
die Courilla unter den Arm geklemmt. Im Morgengrauen sah er ihn
zurückkommen.
5.
Ylina, Erdega, Janz und Gallos - das war ein Team.
Ylina, Erdega und Janz - das war mehr; eine Clique, eine
verschworene Gemeinschaft innerhalb dieses Teams.
Am ersten Tag, den sie in dem abgeschiedenen Tal verbrachten,
gingen sie Springböcke jagen. Janz übernahm die Führung,
und Gallos konnte ihm mühelos folgen. Nur Erdega hatte Mühe,
mit seinem Bruder und dem Schatzsucher Schritt zu halten. Als Ylina
das merkte, blieb sie bei Erdega zurück.
»Wir müssen den beiden nicht folgen«, sagte sie.
Erdega lächelte dankbar.
»Ich kann auch alleine zurückbleiben«, meinte er,
»wenn du dich gerne an der Jagd beteiligen wolltest. Auf
Springböcke zu schießen ist ein Erlebnis, das man sich
nicht entgehen lassen sollte, wenn man schon einmal in den Bergen
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