PR TB 067 Der Endlose Alptraum
einem
harmlosen Schlafmittel gesorgt. Er konnte Erdega unbesorgt auf seinem
nächtlichen Ausflug folgen.
***
Es war der vierte Tag, und er brachte schon in aller Frühe
eine unangenehme Überraschung.
Janz, Gallos und Ylina befanden sich auf dem Weg zum Fluß,
um ein Bad zu nehmen, als die Alarmglocke anschlug.
Ylina erstarrte mitten in der Bewegung, obwohl sie im ersten
Augenblick nicht wußte, was das Schrillen der Glocke zu
bedeuten hatte. Janz und Gallos rannten zurück zum Geländewagen.
Ylina folgte ihnen und sah ängstlich zu, wie sie zwei Pferde
sattelten, ihre Waffen aufnahmen und davonritten. Dabei wechselten
sie kein Wort.
Erst eine Äußerung Erdegas bestätigte ihre
furchtbare Ahnung.
»Jemand ist ins Tal eingedrungen«, sagte er tonlos.
Ylina rannte davon. Sie war ganz konfus, wußte nicht, was
sie tat, und wohin sie rannte. Ihr Kopf schien zu bersten unter den
emotionalen Schlägen eines einzigen Gedankens, der immer
wiederkehrte und sie halb wahnsinnig vor Angst machte. Er hat mich
gefunden und kommt mich holen...
Sie irrte stundenlang durch das Tal. Manchmal war es ihr, als
hörte sie ihren Namen rufen und sie glaubte. Gallos', Janz' und
Erdegas Stimmen zu erkennen. Aber sie gab sich nicht zu erkennen. Sie
lief weiter, bis sie erschöpft zusammenbrach. Schwer atmend
blieb sie in einem Blumenfeld liegen.
Lange Zeit hörte sie nur die Geräusche der Insekten, die
über das Feld schwirrten und von Blüte zu Blüte zogen.
Dann wurden diese einschläfernden Geräusche von immer
lauter werdenden Rufen übertönt.
»Ylina!«
Sie rührte sich nicht. Denn sie hatte die sinnlose
Befürchtung, daß Gallos, Janz und Erdega sie nur finden
wollten, um sie an ihn auszuliefern. Und sie wollte um keinen Preis
der Welt zu Phillip zurück.
Sie lag immer noch vollkommen bewegungslos da, auf dem Rücken,
die Arme wie gekreuzigt ausgebreitet, als ein Schatten auf sie fiel.
Nur ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell, und an ihrer Stirn
fühlte sie eine Ader pochen. Sie ließ die Augen
geschlossen, weil sie nicht sehen wollte, wer sie gefunden hatte.
Aber sie erkannte ihn an der Stimme. Es war Erdega. Er setzte sich
neben sie und sagte: »Es ist alles wieder gut, Ylina.« Er
pflückte Blumen und legte sie ihr auf die Brust: »Es war
nur ein Fehlalarm. Es war ein verirrter Wisender, wahrscheinlich das
Männchen aus der Familie, die wir beobachtet haben. Der Wisender
hat die Alarmglocke ausgelöst.«
Ylina lachte - der Alpdruck verschwand, war plötzlich wie
weggeblasen. Sie war froh darüber, wieder unbeschwert lachen zu
können, und tat es ausgiebig.
Erdega lächelte still vor sich hin und pflückte
weiterhin Blumen, die er über Ylinas Körper verteilte. Sie
ließ es willig mit sich geschehen. Aber sie erkundigte sich bei
ihm, warum er es tue.
»Aus Ylina sollen die schönsten Blumen sprießen«,
sagte er verträumt. »Es sind die schönsten Blumen,
die mit Ylina schliefen.«
Es waren die schönsten Worte, die ihr jemals gesagt worden
waren. Sie nahm sie dankbar auf und ließ sie lange in ihrem
Geist nachhallen.
»Ylina!«
»Das war Janz«, sagte Erdega. »Er und Gallos
suchen dich noch immer.«
»Laß sie rufen. Ich möchte jetzt nicht aus diesem
wunderbaren Traum geweckt werden.«
Erdega knickte eine der goldgelben Blüten und hielt sie gegen
die Sonne.
»Weißt du, wie diese Blume heißt?« fragte
Erdega.
»Ich glaube, man nennt sie Goldbecher.«
»Ich nicht - ich nenne sie Ylina. Und weißt du, wie
Janz sie nennt? Seelendorn.«
»Ein unpassender Name. Warum ausgerechnet Seelendorn?«
Erdega zuckte die Schultern und legte die Blüte zu den
anderen auf Ylinas Körper.
»Ich habe wieder vergessen, warum er gerade diese
Bezeichnung gewählt hat. Er ist manches Mal recht eigen, so daß
nicht einmal ich ihn verstehen kann. Er tut Dinge, die keinen Sinn
für mich ergeben, aber er sagt, daß er sie nur für
mich tue. Ist das nicht seltsam?«
Ylina hatte wieder die Augen geschlossen. Ihr Puls ging wieder
normal, ihre regelmäßigen Atemzüge klangen wie
zufriedene Seufzer.
»Was ist seltsam?« fragte sie mit schläfriger
Stimme. »Ich finde, daß ihr beide euch prächtig
versteht. Alles andere ist unwichtig.«
»Du hast recht. Wir kommen wunderbar miteinander aus, wir
lieben
einander, obwohl wir uns gegenseitig nicht verstehen. Janz
versteht auch wenig von dem, was ich tue. Aber wir verlangen keiner
vom anderen Erklärungen, und darauf, glaube ich, kommt es
letzten Endes an.«
»Du hast das
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