PR TB 068 Die Säulen Der Ewigkeit
Narben sichtbare Spuren
hinterlassen. Menes war reifer geworden und schneller in seinen
Gedanken. Er war ausgeruht und fieberte förmlich vor Spannung
und Tatendrang.
»Die Priester sagten mir, du wärest niemals dagewesen,
wenn sie dich holen wollten«, sagte der junge Menes und warf
mir einen argwöhnischen Blick zu. »Ist das die Wahrheit?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich wurde nicht eingelassen, und ich wollte nicht den
Tempel schänden, indem ich die Mauern überkletterte. Die
Priester lügen.«
Er musterte mich scharf.
»Die Priester . . .«, sagte er dumpf. »Sais,
Buto, die Priester in ihren vielen dunklen Tempeln. Das Volk braucht
sie. Ich brauche sie, denn sie zeigen mir Dinge, die selbst die
Göttlichkeit des Pharaos nicht weiß. Aber sie lügen
und werden mächtig. Ich werde gelegentlich nachdenken, was zu
tun ist.«
Ich lächelte sarkastisch und schüttelte den Kopf.
»Wenn du den Rat eines Fürsten haben willst, der in
seinem Land so mächtig ist wie du, frage mich. Mein Volk liebt
seine Priester, und meine Priester lügen nicht. Sie wagen es
nicht. Und — was können sie dir sagen, was ich dir nicht
sagen kann?«
Wir standen im königlichen Arbeitsgemach. An den steinernen
Wänden, die mit Szenen aus der Einigung beider Reiche, Ober- und
Unterägypten, bis hinauf zum ersten Katarakt, verziert waren.
Auf flachen, niedrigen Tischen lagen Eselshäute, feingegerbt und
fast weiß. Sie waren mit den Versuchen einer Landkarte bedeckt,
und ich zuckte zusammen; das Bild, das mein photographisches
Gedächtnis von dem Flußlauf und seinen Uferstädten
besaß, war wesentlich anders. Einige Schreiber saßen auf
dem Boden und notierten.
»Ich habe ein Jahr lang mit dem König von Sais
verhandelt«, sagte Menes bitter. »Er sträubt sich/
und seine Stadt ist ein Haufen Lehm. Jetzt werde ich die Stadt
nehmen. Neter-Nacht ist mit eintausend Männern bereits
vorausgezogen, meine Schwester ist flußabwärts gefahren,
und morgen wird Hepetre mit drei Schiffen fahren. Atlan! Du bist
Arzt. Ich verliere mehr Männer in den Lagern als bei den
Kämpfen. Geh mit Hepetre und mache, daß die Männer
gesund bleiben!«
Ich musterte den Pharao.
Er stand kerzengerade da, jeder Zoll die selbstbewußte
Verkörperung des Gottes, als den man ihn verehrte. Die Zweifel,
die er haben mußte — denn wurde je ein Gott von
Gehirnerschütterungen heimgesucht? —, verbarg er
geschickt. Er hatte sie seit den ersten Jahren seiner Erziehung
verbergen müssen, und inzwischen mußte er selbst glauben,
was man ihm dauernd erzählt hatte. Er war nicht Menes, der junge
Mann, sondern die Verkörperung des Horus auf Erden. Und ebenso
wirkte er. Nur hin und wieder kamen winzige Momente der
Selbstbesinnung, in denen er versucht war, seine Göttlichkeit in
Frage zu stellen. Er sah auf die Sonnenuhr, die an einem Pylon
festgemacht war; eine T-förmige Konstruktion. Der Längsbalken,
der nach unten zeigte, trug den schwarzen, harten Schatten des
Querstücks. Es war früher Nachmittag.
»Gut«, sagte ich. »Soll ich mit Hepetre fahren?«
»Ja«, sagte er. »Nimm deine Salben mit; die
Sklaven werden sie ins Schiff bringen. Ich komme später, das
Schiff des Pharaos ist schnell.«
Ich verneigte mich stumm.
»Und«, sagte er, »dort im Lager vor Sais werde
ich dir ein Geschenk machen. Ich habe mich mit Nefer-meryt
unterhalten.«
Ich verbeugte mich und verließ den Palast. Mit meinem
Gespann fuhr ich, nur von Ti begleitet, hinunter zum Hafen, wo
Hepetre die Verladearbeiten überwachte. Der Hafen von Mem-phis
war eine langgestreckte Anlage, die aus eingerammten Stämmen
bestand, aus breiten Molen aus Granit und aus den Speicherbauten der
Getreide Vorräte. Vier Schiffe lagen dort, und die Reihen
schwarzer Sklaven waren nicht zu übersehen. Sie schleppten
Waffen, Nahrungsmittel, dicke Bündel und Säcke mit sich,
Weinschläuche, lange Lanzen, Bündel von Pfeilen und
Werkzeuge.
Hepetre stand unter einem Sonnensegel, umgeben von Schreibern und
Läufern. Er wachte mit Falkenaugen über die Arbeiten und
hatte überall etwas auszusetzen. Ich übergab einem Soldaten
die Zügel und ging die Holztreppe hinauf, blieb neben Hepetre
stehen. »Vergiß nicht, einen guten Platz für deinen
Freund freizuhalten«, sagte ich.
Er fuhr herum.
»Atlanl Kommst du vom Pharao?«
»Ja. Wann fahren wir?«
»Morgen, bei Sonnenaufgang. Wir werden uns alle im Lager
treffen, Neter-Nacht, seine Frau, du und ich. Und auch«, setzte
er mit einem listigen Grinsen hinzu,
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