PR TB 069 Menschen Aus Der Retorte
„Wir
müssen viele Jahrtausende in die Zukunft gereist sein. Aus dem
Geröllstrand ist feiner schwarzer Sand geworden, und der Wind
und das Meer haben soviel davon um das Schiff gehäuft, daß
es bis auf die obere Polkuppel bedeckt ist. Nur der obere Bildtaster
befindet sich im Freien, sonst würdet ihr überhaupt nichts
sehen.“
Inger überlegte einige Minuten lang. Dann schnallte er sich
ab und blickte in Richtung der Positronik, obwohl das für die
Verständigung unnötig war.
„Deine Argumente klingen einleuchtend, Vater Lashron. Aber
was redest du von einem Schiff? Soviel ich mich entsinne - und ich
habe ein gutes Gedächtnis - befinden wir uns in deinem Haus.“
„Vater Lashrons Haus ist ein Schiff“, erklärte
Sidni-Stem. „Genauer gesagt, ein Raumschiff, das sich früher
zwischen den Sternen bewegt hat.“
Inger blickte Stem an und grinste.
„Deine Phantasie war schon immer beeindruckend, Sidni-Stem.
Aber du solltest nicht versuchen, einen erfahrenen Mann
hereinzulegen. Schließlich bin ich einundneunzig Jahre älter
als du. - Ein Schiff, das sich zwischen den Sternen bewegt! Daß
ich nicht lache.“
„Es ist wahr“, fiel Vater Lashron ein. „Das, was
du für mein Haus hältst, ist ein Raumschiff. Die Alten und
ich sind damit von den Sternen gekommen, genauer gesagt, von einem
Planeten einer weit entfernten Sonne. Meine und eure Vorfahren
beherrschten die Raumfahrt - beherrschen sie wahrscheinlich noch
immer. Weshalb, glaubst du, habe ich seit tausend Jahren Prospektoren
ins Innere der Kontinente geschickt! Weil sie nach Erzen suchen
sollen, aus denen ich eine widerstandsfähige Legierung zum
Nachbau jener Maschinen herstellen kann, die für die Bewegung
durch Lichtjahrtausende erforderlich sind.“
Betty-Inger wurde plötzlich sehr still. Seinem Gesicht war
die tiefe Betroffenheit deutlich anzusehen. Doch im Unterschied zu
Luzie und Stem geriet er nicht an den Rand des Wahnsinns. Nach
einiger Zeit holte er tief Luft und straffte sich. Seine Augen
funkelten selbstbewußt.
„Die Sterne!“ stieß er hervor. „Wir werden
sie wieder erobern, so wie unsere Ahnen sie eroberten!“
„Dazu müssen wir vor allem einmal überleben“,
erwiderte Vater Lashron nachsichtig. „Ich schlage vor, Anderson
Sidni-Stem und Babakow Betty-Inger sehen sich draußen um. Wenn
ihr die Hauptzentrale verlaßt, kommt ihr zu einer Nottreppe.
Steigt bis zum oberen Ende und richtet euch dann nach meinen
Anweisungen. Betty-Inger, du nimmst dein Gewehr mit. Sidni-Stem,
öffne die Klappe neben der Tür. Dort findest du einen
Gürtel mit einem Impulsstrahler. Schnalle dir den Gürtel
um. Der Impulsstrahler funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die
Energiewaffen, die beim ,Krieg der Clone’ eingesetzt wurden.
Allerdings ist seine Vernichtungskraft größer. Also
Vorsicht, wenn du ihn anwendest.“
Sidni-Stem nickte.
Er wirkte nach außen hin ruhig, mußte sich jedoch
anstrengen, um seine innere Erregung zu unterdrücken. Schweigend
öffnete er die Klappe neben der Tür und griff
nach dem breiten Gürtel darin. Er war ein wenig knapp, so daß
er die Magnetschiene bis zum äußersten Gegenpol
verschieben mußte. Seine Hand strich über das Griffstück
der Waffe, das aus dem Gürtelhalfter ragte. Die Berührung
des kalten Materials gab ihm das Gefühl, es mit jedem
eventuellen Gegner aufnehmen zu können.
Er wandte sich in der Tür noch einmal um und nickte Luzie zu.
Irul-Luzie preßte trotzig die Lippen zusammen. Wahrscheinlich
ärgerte es sie, daß Vater Lashron ihr keine Aufgabe
zugewiesen hatte, obwohl sie eine Frau war. Doch ihr Respekt vor ihm
war offenbar groß genug, um jeden Widerspruch im Keim zu
ersticken.
Schulterzuckend wandte er sich ab und eilte dem Jäger nach,
der die spiralförmig gewundene Treppe bereits erreicht hatte.
Die Stufen führten an der metallenen Außenwand eines
röhrenförmigen Schachtes entlang. Vergebens fragte sich
Stem, wozu der Schacht diente. Ein Liftschacht konnte es nicht sein,
denn weder oben noch unten war eine Kabine zu sehen.
Die Treppe schien kein Ende nehmen zu wollen. Beide Männer
gerieten außer Atem, und sie waren froh, als sie endlich die
abschließende Plattform erreichten.
„Nehmt die Tür zur Linken!“ ertönte Vater
Lashrons Stimme aus der Luft heraus.
Stem und Inger drehten sich um und sahen, wie die bezeichnete Tür
sich öffnete. Sie traten hindurch und standen plötzlich in
der Helligkeit natürlichen Tageslichts.
Staunend blickten sie durch die
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