PR TB 071 Sturm Uber Babylon
waren, nachdem Hammurabi sie befreit hatte, in ihre
alten Stellungen zurückgekehrt. Ich war jetzt genau achtzig Tage
in Babylon. Rund zwei Millionen Menschen lebten in dem eroberten
Reich Hammurabis, und Babylon zählte etwa einundzwanzigtausend
Köpfe, die Bewohner der Vorstädte mit eingerechnet. Das
Heer, das Hammurabi gerade nach meinen Angaben zusammenstellte,
sollte zweimal zehntausend Krieger zählen. Und gerade in der
Zeit der schwierigen Reichsgründung fielen die Priester dem
König in den Rücken, indem sie ihre Privatfehden austrugen.
Hier jedenfalls, in meinem Haus, sollte absolute Sicherheit
herrschen.
Ich begann zu überlegen, musterte mein Gepäck aus und
sah zu meiner großen Erleichterung, daß ich nicht
zum Versteck meines Gleiters reiten mußte. Was ich zur
Verteidigung
brauchte, besaß ich noch.
Der Prinz kam wieder, mit ihm der Wirt und vier Sklaven, die
keuchend schwere Lasten schleppten.
„Immer nachts", sagte Abi'enchu vorwurfsvoll und schlug
mir krachend auf die Schulter, „immer wirst du in der Nacht
aktiv. Dich hält nicht einmal die Prinzessin davon zurück."
„Um so weniger", sagte ich leise, „als sie der
Grund der morgigen Schlacht sein wird. Haben wir alles?"
Er nickte schwer und musterte Daganya. Sie schien ihm zu gefallen,
und dann ließ sich der Wirt ächzend in einen Sessel
sinken.
Wir arbeiteten die ganze Nacht hindurch, verkleideten einen Teil
der Mauer, zogen Seile und flochten Netze, versteckten an bestimmten
Punkten Teile meiner Ausrüstung und kontrollierten jeden
Zentimeter der Mauer, des Gartens, des Hauses und der kleinen Grube,
die als Kühlkeller fungierte. Dann waren wir hinreichend müde
und schliefen den halben Tag lang. Eine weitere Botschaft von Igesha
erreichte mich kurz nach Mittag er berichtete von den Planungen der
Priester.
Stunden später ...
An diesem Abend lag die Stadt da wie ausgestorben, obwohl der
Tempel gewachsen war, obwohl überall die Mauern verbreitert und
verlängert und mit Zinnen versehen wurden. Wenige Lichter
flackerten in der windstillen Luft. Die Insekten und die Hitze im
Haus waren unerträglich. Kein Hauch, keine Kühlung, nur der
lastende Sommer über Babylon und eine ungeheure Ansammlung
viereckiger, würfelförmiger oder mit abgerundeten Kuppeln
versehener Bauten im kalten Mondlicht. Schwarze Farbe bedeckte meinen
Körper; der Schweiß grub breite Rillen hinein. Mein Gürtel
klebte an der Haut, und als ich probeweise mein Abwehrfeld
einschaltete, rutschte der Knopf aus den Fingern.
Im Schutz der Dunkelheit war Daganya zu Abi'enchu gebracht worden
und schlief neben seiner Küche; sie war in Scherheit. Wir alle,
fünf Brüder der Wölfe, der Prinz und ich, warteten auf
den Angriff. Einer der Robotwölfe befand sich im Garten, der
andere an meiner Seite. Im ganzen Haus waren brennende Öllampen
verteilt.
Ich bewegte mich schnell bis an einen Vorhang, zog ihn zur Seite
und starrte in die Nacht hinaus.
Ich war sicher, daß sie uns beobachteten.
Sie werden aus der Luft kommen, warnte mein Extrasinn.
Mit der unerschütterlichen Ruhe der geübten Krieger
warteten die Freunde an den verschiedenen Punkten. In Daganyas Zimmer
lag eine Puppe in der langsam schaukelnden Hängematte; man mußte
nahe herangehen, um die Täuschung erkennen zu können. Ich
zog den Vorhang wieder zu, stieg die Leiter hinunter und sprang vom
Dach des Stalles in den Garten.
Eine Grille zirpte siebenmal. Das Zeichen.
Ich lehnte am Stamm einer Palme und schaute gegen den
sternenübersäten Himmel. Plötzlich war da ein
Schwirren in der Luft, wie von Adlerflügeln oder einem
fliegenden Pfeil. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt
hatten, sah ich einen Schatten, der sich schnell bewegte und jeweils
eine handgroße Fläche von Sternen verdeckte. Es war der
Gleiter einer der „Wagen ohne Räder". Er kam vom
Priesterquartier direkt auf mein Haus zu. Die Grille zirpte wieder.
Ich nahm einen Halm zwischen die Finger und ahmte den Grillenruf
nach, dreimal.
Von den Verstecken kamen die bestätigenden Rufe.
Es war nach Mitternacht. Die Lichter im Tempelturm brannten noch.
Dort wartete ein leeres Gemach auf Marduk. Aber die Stadt schien
jetzt plötzlich zu erwachen. In ihr riefen Stimmen, leise und
unterdrückt, ein Tier winselte, und am Ufer balgten sich
Schakale um ein Aas. Die Insekten verdoppelten ihre Angriffe. Der
Gleiter schwebte heran, jetzt leuchteten seine Flanken im Licht der
Mondhälfte auf. Die Schale blieb in der Luft stehen, und
Weitere Kostenlose Bücher