PR TB 083 Die Festung Der Dämonen
Höhe.
Die Treppe, sagte mein Extrasinn.
Ich traf auf die glatten, kühlen Stufen. Sie waren
gleichmäßig gearbeitet, und in gewissen Abständen
befanden sich rechts und links der Stufen steinerne Fratzen und
Gestalten. Sie zeigten eine Kunstfertigkeit in der Steinbearbeitung,
die mich verblüffte. Als ich die tiefer gelegene Ebene erreicht
hatte, schrak ich zusammen.
Gesang war zu hören, Trommeln und Flöten.
Ein wilder, harter Rhythmus, durchsetzt von kehligen Schreien und
Rufen. Zwischen mir und den Feuern bewegten sich Gestalten.
Sie sangen und tanzten um den Opferstein.
Langsam tastete ich mich an der schrägen Mauer entlang. Ich
griff hin und wieder in schlitzförmige Vertiefungen und wußte,
daß dies die Luken waren, aber mein Arm, der sich nach innen
schob, entdeckte keinen Widerstand. Also waren zumindest Teile dieses
Bauwerkes hohl. Nichts. Kein Eingang, keine Tür, kein
Mechanismus, der sich bewegen ließ.
Endlich erreichte ich die unterste Ebene, suchte auch hier
vergeblich und befand mich wieder am ersten Absatz der Treppe. Ich
sah hinüber. Die Feuer waren heller geworden.
Ich schob das Fernrohr auseinander, setzte es ans Auge und starrte
hindurch.
Das Mädchen.
Zwei prächtig geschmückte Krieger hatten das Mädchen
aus dem Nomadenstamm an den Armen gefaßt und schoben es auf den
Opferstein zu. Der Medizinmann.
Ahuitzotla, rief mein Extrasinn.
Ahuitzotla, der Medizinmann, vollführte einen wilden Tanz vor
dem Opferstein. Auch das Mädchen war geschmückt. Sie trug
ein farbenprächtiges Gewand, das wie ein kurzes Hemd aus Leder,
Schnüren und Federn wirkte, einen Federhut, der wie eine
riesengroße Blüte wirkte, und breite Armbänder aus
geflochtenen Lederschnüren. Ihre Haut glänzte ölig.
Vor dem Opferstein blieben sie stehen. Der Trommler bearbeitete
sein Instrument wie rasend.
Dann begannen die beiden Krieger, während Ahuitzotla vor
ihnen tanzte und sang, das Mädchen auszuziehen. Sie nahmen die
Armbänder ab, den Hut, die Bänder um ihre Knöchel,
schließlich das Kleid. Dann führten sie das Opfer auf den
Stein zu.
Schließlich lag das Mädchen quer vor Ahuitzotla, der
jetzt ruhig vor ihr stand. Ich fing das Aufblitzen eines Gegenstandes
auf - in der Hand des Medizinmannes glänzte ein breites
Obsidianmesser.
Er hob die Hand, ließ sie wieder sinken, und führte das
Messer zweimal über den Stein.
Das Geräusch ließ mich erschauern und riß mich
aus meinen Gedanken.
Ein Menschenopfer!
Ich schob das Fernrohr zusammen, verstaute es in meinem Gürtel
und riß den Paralysator aus der versteckten Tasche. Dann summte
mein Flugaggregat auf und riß mich nach vorn.
Ich landete zwischen zwei Feuern. Ich stürmte auf den
Opferstein los, warf die Männer, die sich auf mich stürzten,
zur Seite und blieb zwischen dem Mädchen und dem Medizinmann
stehen.
Der Ring der Angreifer schloß sich, und ich drehte mich
einmal. Die Waffe in meiner Hand knackte, und der breit gefächerte,
unsichtbare Strahl mähte die Krieger um. Dann richtete ich die
Waffe auf den erhobenen Arm mit dem Obsidianmesser und drückte
ab. Das Messer fiel zu Boden, und hinter mir hörte ich ein
erschrockenes Atmen.
»Warum willst du das Mädchen opfern?« fragte ich.
Ich blickte an Ahuitzotla vorbei und drückte auf den Knopf,
der den Kondor herbeirief.
»Die Götter verlangen es!«
»Ich verlange es nicht! Ich verbiete es!« schrie ich
unbeherrscht.
»Deine Brüder verlangen, daß jeden Vollmond hier
alle Nomaden sich versammeln. Dann soll ein Opfer gebracht werden.«
Ich sagte laut:
»Meine Brüder irren. Sie meinen nicht, daß das
Mädchen geopfert werden soll. Wo sind meine Brüder?«
Ahuitzotlas Gesicht, hinter dicken Farbstreifen fast unkenntlich,
schien mich anzugrinsen.
»Weiß ich es?« fragte er. »Wenn du es
nicht weißt, Quetzalcoatl?«
Ich schwieg, und schonungslos feuerte ich auf jede Gestalt, die
sich dem Feuer näherte. Hinter mir richtete sich das junge
Mädchen auf. Sie roch betäubend nach Öl und
irgendwelchen Kräutern.
»Deine Brüder kommen einmal zur Vollmondzeit. Und dann
müssen wir ihnen dienen. Sonst werden sie fürchterliche
Rache nehmen!« sagte Ahuitzotla vorwurfsvoll. Über uns
rauschten die Schwingen des Kondors, und ich sagte:
»Nimm dieses Mädchen und bringe es zurück zur
Siedlung! Schnell!«
Ich sah zu, wie der Kondor über dem Opferstein schwebte,
seine mächtigen Krallen spreize und das Mädchen am Oberarm
und am Oberschenkel ergriff. Dann schlugen die Flügel,
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