PR TB 086 Feldzug Der Morder
rechten
Handschuh aus. Dann setzte ich den Pfeil ein, zog die Sehne aus,
zielte sorgfältig und bohrte meine Blicke beschwörend in
das Zentrum des Schildes. Die Sehne schlug hart gegen meinen
Unterarm, der Pfeil heulte davon und ich berührte wieder den
Nietenkopf in der kugelartigen Wulst über meiner Schulter. Das
Zeichen für Turk, sein Programm abzufahren, das ich gestern
nacht befohlen hatte. Noch ehe ich den zweiten Pfeil in den
Fingerspitzen hielt, wußte ich, daß ich getroffen hatte.
Ein kurzer Laut, schneidend und hämmernd gleichermaßen,
kam als Echo zurück.
Der zweite Pfeil.
Beim dritten zögerte ich, spannte neu und zielte etwas
länger. An der Bewegung der Gräser hatte ich gesehen, daß
eine leichte Bö wehte. Als sich das Gras wieder aufrichtete,
schoß ich. Dann nahm ich seelenruhig den Köcher ab, gab
den Bogen dem Hunnen und wartete. Wieder jener hämmernde Schlag.
Ein Reiter löste sich aus der Masse, ritt zum Pfahl hin und
zügelte scharf sein Pferd. Wir alle hörten seinen
erschrockenen Ausruf und dann stürzte wie ein dunkler Klumpen
der Jagdfalke aus dem Himmel. Er schlug dicht über der Puppe mit
den Flügeln, das Pferd scheute und der Reiter kämpfte gegen
den panischen Schrecken des Tieres an. Der Falke zog einige Kreise,
immer enger werdend, um den Pfahl, dann schraubte er sich wieder nach
oben und blieb außer Schußweite. Ein langgezogenes
Murmeln ging durch die Reihen der Hunnen. Der Reiter zwang sein Pferd
wieder unter seine Gewalt, hob den Schild vom Pfahl und galoppierte
wie ein Wahnsinniger zu uns heran. Er riß sein Pferd zurück
und das Tier rutschte wiehernd mit ausgestreckten Vorderfüßen
auf den eingeknickten Hinterbeinen auf uns zu.
Der Schild.
Langsam gingen Tigas und ich auf den Schild zu. Alle drei Pfeile
waren zu zwei Dritteln durch die Stahlplättchen, das Leder und
die Filzschicht durchgeschlagen und steckten nur mit fingerbreiten
Abständen nebeneinander im Zentrum des runden Schildes. Leise
und beinahe ehrfurchtsvoll sagte Tigas:
»Hervorragend. Ich hielt dich für einen Aufschneider.
aber der Tag ist noch lang. Wir werden sehen.«
Ich streifte meinen Handschuh um, behielt aber den Unterarmschutz
angeschnallt. Ich erwiderte ohne jede Betonung:
»Der Tag wird nicht länger, wenn wir reden, Tigas. Wir
werden sehen.«
Ein Hunne brachte mein Pferd. Ich kontrollierte noch einmal den
Sattelgurt und die Schnallen und Riemen, dann schwang ich mich auf
den Rücken des Tieres, setzte mich zurecht und wartete darauf,
wie das Wettrennen mit Schwierigkeiten aussehen würde. Man hatte
eine Strecke abgesteckt, und die Wendemarke ragte jenseits des
dritten Hügels auf. An verschiedenen Punkten standen Reiter.
Barrikaden waren hochgezogen und unterhalb des Hügels stand
jemand mit einer Fackel.
Der Hunne neben mir hielt noch immer den Zügel und schaute zu
mir hinauf. Er sagte laut:
»Bis zur Wendemarke und zurück. So schnell wie möglich.
Jedes Hindernis muß angenommen werden.«
»Woraus bestehen die Hindernisse?« fragte ich.
»Niemand weiß es«, war die diplomatische
Antwort, aber an dem kurzen Aufblitzen der Augen konnte ich merken,
daß zumindest Tigas sehr viel davon wußte. Wie hatte er
gesagt: wir würden sehen!
»Wer gewinnt?« fragte ich.
»Der zuerst wieder hier ist und alle Hindernisse angenommen
hat«, sagte der Hunne.
Wir ritten aufeinander zu, auch Tigas hatte eine Lanze in der
linken Hand. Ich wartete ab; vielleicht mußte ich die Waffe
wechseln. Nebeneinander stehend warteten wir auf das Handzeichen des
Hunnen. Endlich kam es, und wir preschten los. Tigas setzte die
Sporen zu hart ein, und etwa hundert Meter lang blieben wir dicht
nebeneinander. Dann zweigten unsere Wege auseinander und ich ließ
die Zügel los. Vor mir ritt ein Hunne an, eine lange Lanze in
der Hand. Ich rammte meinen Arm in die Bügel des Schildes, auf
dem mein Zeichen, die drei Sterne, eingeätzt waren. In der Mitte
des Schildes saß ein Stück Metall, konkav zugeschliffen -
ein Hohlspiegel, mit dem ich jetzt die Sonnenstrahlen einfing. Der
Hunne galoppierte von rechts auf mich zu und ich hielt den
Lanzenschaft hoch, deckte mich mit dem Schild und zielte mit dem
tanzenden, unruhigen Lichtfleck nach dem Krieger. Die Entfernung
verkürzte sich rasend schnell, und der trommelnde Huf schlag der
Tiere bildete die Musik zu dem Kampf. Ich fällte die Lanze,
legte sie dicht über die Ohren des Pferdes, schwang sie zurück,
und als wir in vollem Galopp zusammentrafen, lenkte ich mein
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