PR TB 087 Asyl Auf Planet Vier
verwirrten Gedanken.
Der NEUTRALE BEOBACHTER lauschte schweigend, ließ sich
befreien von der Last, die sie drückte. Geduldig wartete er, bis
der Strom ihrer hastig hervorgestoßenen Worte zur Neige ging
und sie schließlich erschöpft schwieg. Dann stellte er
seine Fragen, schuf allmählich Ordnung in diesem Wirrwarr. Erst
jetzt fiel Andra die angespannte Nervosität auf, unter der er
stand. Er rang mit einem Entschluß. Er ballte die Hände
und sprang plötzlich auf, um den Raum mit kurzen, schnellen
Schritten zu durchmessen. Andra hörte ihn vor sich hinmurmeln,
konnte jedoch keines seiner Worte verstehen. Seine Blicke suchten
ihre Augen, und Andra kam es vor, als würde sie einer
schweigenden Prüfung unterzogen.
Endlich begann er zu sprechen.
»Ich muß dich um etwas bitten, Andra«, sagte er.
»Du mußt nicht bitten. Du bist mein Herr.«
Der Mann seufzte. »Ich dachte, ich hätte dich besser
erzogen«, sagte er im vorwurfsvollen Ton. »Es gibt keine
Herren über andere Menschen. Hast du das denn immer noch nicht
begriffen?«
Sie lächelte. »Du bist mein Herr, weil ich es will«,
stellte sie richtig. »Steht das auch im Widerspruch zu deinen
Gedanken?«
»Nein.« Er wirkte leicht verlegen. »Trotzdem
würde ich dir raten, zunächst einmal anzuhören, was
ich von dir will. Danach kannst du deine Entscheidung treffen.«
»Ich höre«, sagte sie.
»Der Auftrag ist gefährlich. Er kann dein Leben kosten.
Ich würde ihn selbst ausführen, wenn ich nicht anderweitig
verpflichtet wäre. Meine Aufgabe muß glücken,
verstehst du? Deine Aufgabe kann notfalls auch scheitern, obwohl das
sehr bedauerlich wäre. Willst du sie immer noch durchführen?«
»Gewiß doch«, sagte sie ernst.
»Danke!«
Erstaunt sah Andra, wie er ein verborgenes Wandfach öffnete
und einen dickleibigen Ordner hervorholte. Schweigend nahm er Platz
und besann sich kurz, bevor er mit energischen Schriftzügen zu
schreiben anfing. Andra sah zu, wie sich das Blatt allmählich
füllte. Schließlich hatte er seine Arbeit beendet und
lehnte sich zurück.
»Dieser Bericht«, - er tippte auf den Ordner - »muß
in die Hände der SÜDLeute gelangen. Aber das ist nicht das
Wichtigste. Falls du in Gefahr gerätst, kannst du ihn unbesorgt
zurücklassen. Wichtig allein ist, daß du die SÜDLeute
vor der Gefahr warnst, die ihnen droht. Du sollst dein Leben
einsetzen, um viele andere Leben damit zu retten. Das ist meine
Rechtfertigung dafür, daß ich für Hilfe sorgen will.«
Er löste die Blätter aus dem Ordner heraus und
rollte sie zusammen.
Andra nahm die Rolle in Empfang.
»Du hast eine gute Chance«, meinte er dann. »Bald
wird die Nacht hereinbrechen. Wenn du Glück hast, fällt
dein Fehlen erst morgen auf.« Erneut griff er in das Wandfach
und entnahm ihm einen Strahler, den er ihr überreichte.
»Verspricht mir, daß du ihn im Notfall anwenden
wirst!« beschwor er sie ernst.
Andra wog die Waffe in ihrer Hand und blickte ihren Herrn unsicher
an. Er sah ihr Zögern.
»Weißt du, was ein Eid ist?« fragte er.
Sie nickte.
»Dann hebe deine rechte Hand hoch, Mädchen!«
forderte er sie auf. Sie gehorchte. Seine Augen blickten plötzlich
fremd und sehr sachlich. Als er zu sprechen begann, erkannte Andra
instinktiv, daß dies nicht seine eigenen Worte waren.
»Kraft meiner größeren Vollmachten«, sagte
er, »enthebe ich dich aller Verpflichtungen gegenüber
anderen Personen und erkläre, daß du keiner anderen
Autorität als der des Solaren Imperiums unterworfen bist, als
dessen Vertreter ich hier fungiere. Ich übertrage dir im Rahmen
deines Auftrags Polizeibefugnisse, die dich berechtigen, jedem
anderen auf diesem Planeten Anweisungen zu erteilen, soweit sich das
für die Ausführung deines Auftrags als notwendig erweist.«
Er lächelte. »Ich weiß ganz genau, daß dies
alles nur leere Worte sind, die dich im Ernstfall nicht schützen
werden. Dennoch sollst du wissen, daß du das größere
Recht auf deiner Seite hast, falls du in Gewissenskonflikte kommen
solltest.«
Er begleitete sie zur Tür. »Viel Glück!«
wünschte er ihr.
Andra spürte, daß dies ein Abschied für immer sein
konnte. In einem plötzlichen Entschluß wandte sie sich um
und schlang dem völlig überraschten Mann ihre Arme um den
Hals. Während sie ihn küßte, fühlte sie, wie
sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Ich danke dir -
für alles!« stammelte sie schluchzend. Ebenso plötzlich,
wie sie ihn umarmt hatte, löste sie sich von ihm und verließ
das
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