PR TB 094 Die Zeitmauer
wirklich starten kannst, so
fliegst du in dein Verderben. Du wirst nie mehr zu uns zurückkehren,
und wir werden dich nie mehr wiedersehen. Wahrscheinlich werden alle
weiteren Raumexpeditionen durch dein Verhalten verhindert werden."
„O nein, das glaube ich nicht. Ich habe das Schiff
gestohlen, das hat nichts mit unserem ursprünglichen Auftrag zu
tun. Ich bin ein Verräter, das ist alles. Niemand kann euch
daran die Schuld geben."
„Du kannst kein Verräter sein!" rief Rex
überzeugt. „Du mußt gewichtige Gründe haben, so
zu handeln. Sage sie uns!"
„Das ist unmöglich, Rex. Ihr würdet es niemals
verstehen, und die Geschichte wäre außerdem zu lang. Ihr
habt mir sehr geholfen, und dafür möchte ich euch danken.
Meine Handlungsweise scheint undankbar zu sein, aber sie ist es
nicht. Glaubt mir wenigstens das! Lebt wohl. Start in drei Minuten."
„Shen!" rief Rex, aber er vernahm nur ein Knacken im
Lautsprecher.
Shen Ghol hatte den Funkverkehr unterbrochen.
Berenda setzte sich. Er sah Targot an.
„Gibt es eine vernünftige Erklärung dafür?"
fragte er.
D er Biologe schüttelte den Kopf.
„Es gäbe Erklärungen, aber niemand von uns würde
sie als vernünftig bezeichnen können. Wir können
nichts mehr unternehmen, weil es zu spät dazu ist. Also müssen
wir uns mit den Tatsachen abfinden. Shen raubt das Schiff, und wir
werden ohne ihn nach Spharo zurückkehren."
„Du nimmst es leicht", tadelte Berenda und sah hinüber
zu dem Kugelraumer. „Noch eine Minute ..."
Rex blieb stumm. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er hinüber
zu dem fremden Schiff, in dem sein Freund Shen nun hinter den
Kontrollen saß und den Startvorgang einleitete. Gerade mit
seinem Verbrechen bewies er, welches Genie er wirklich war. Zugleich
aber verspürte Rex ein unerklärliches Gefühl
plötzlicher Freiheit. Ihm war, als sei ein Druck von ihm
gewichen, der stets unmerkbar auf ihm gelastet hatte. Ein Druck,
dessen Fehlen er zwar bemerkte, dessen Vorhandensein ihm jedoch
niemals aufgefallen war.
„Es bewegt sich!" rief Berenda in die Stille hinein.
„Wahrhaftig, es bewegt sich! Shen hat es geschafft!"
Trotz des unerklärlichen Verhaltens des Technikers schwang in
Berendas Stimme Bewunderung.
Sie sahen alle, was er meinte ...
Ganz langsam trieb der Kugelraumer ab. Die Entfernung zwischen ihm
und der PEREX wurde nur allmählich größer, aber es
konnte kein Zweifel daran bestehen, daß er beschleunigte, wenn
auch mit geringsten Werten. Er blieb noch in der Kreisbahn, würde
aber mit steigender Geschwindigkeit aus ihr ausbrechen und aus dem
System hinausgeschleudert werden.
Rex ballte die Fäuste, bis die Knöchel weiß
wurden. Sein Gesichtsausdruck verriet Hilflosigkeit und Ärger -
Ärger über die Tatsache, daß sich etwas vor seinen
Augen abspielte, das er weder billigen noch verhindern konnte.
Der Kugelraumer war bereits fünfhundert Meter entfernt, als
plötzlich die Funkverbindung wieder aufgenommen wurde. Es
knackte im Lautsprecher, dann kam Shens
Stimme:
„Rex, hörst du mich?"
„Ja, ich höre dich. Schwierigkeiten?"
„Nein, keine. Alles in Ordnung. Das Schiff läßt
sich großartig manövrieren. Minimalbeschleunigung. Ich
werde in genau drei Minuten weiter beschleunigen, und dann kann es
sein, daß ich innerhalb von Sekunden euren Blicken entschwinde.
Macht euch also keine
Sorgen deswegen. Laßt den Empfänger eingeschaltet. Ich
werde solange mit euch in Verbindung bleiben, wie es möglich
ist. Ihr sollt lernen. Aus meinen Erfahrungen sollt ihr lernen, denn
es wird vielleicht nie mehr eine solche Gelegenheit geben."
„Wir hätten mehr gelernt, wenn wir den Kugelraumer mit
nach Spharo genommen hätten, Shen."
„Richtig, Rex, aber ich bin nicht mehr Shen. Stelle keine
Fragen, ich kann dir nicht antworten. Übrigens: noch eine
Minute."
„Was soll das heißen: du bist nicht mehr Shen?"
„Dreißig Sekunden, Rex. Lebt wohl - Rex, Targot und
Berenda! Und grüßt mir den Rat der Wissenschaftler..."
„Das Schiff!" rief Berenda.
Sie sahen es alle.
In wenigen Sekunden schrumpfte, es zusammen, wurde zu einem Ball,
dann zu einem Punkt, der schnell zwischen den Sternen verschwand.
Aber die Stimme von Shen blieb.
„Unvorstellbare Werte, Rex! Dabei deutet die Markierung an,
daß ich mit fünfachen Werten beschleunigen könnte.
Ich werde es auch tun, denn vor mir liegt eine weite Strecke. Alle
fünf Minuten melde ich mich wieder. Jetzt muß ich mich um
die Kontrollen kümmern. Der Linearflug muß
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