PR TB 095 Die Spur Des Gehetzten
die
von den kranken Ratten gebissen worden waren oder die Ratten auffraß,
wahre Bakterienherde sein mußten, wahre Krankheitsverbreiter.
Ich sah rührende Beispiele, die Entwicklung zu ändern,
ebenso bemerkte ich die Hilflosigkeit und das Bestreben, so zu tun,
als gehe die Pest nur die Kranken etwas an, nicht die Gesunden. Eine
merkwürdige Zeit, selbst mir nicht verständlich.
Schließlich befand ich mich im Gewölbe eines Juden.
Abraham Gansfort war ein junger Mann mit einem Gesicht, das
pergamenten wirkte, mit großen, schwarzen Augen.
»Ihr wünscht, Herr?«
Ich las die letzten Posten der Liste vor und sah, daß sich
Abraham Notizen machte und jedesmal nickte.
»Ihr könnt alles haben«, sagte er. »Fragt
nur bei Chevalier, Jagellon an! Gute Ware, niedrige Preise, kein
Ausschuß. Wollt Ihr wächserne Kerzen oder die mindere
Qualität?«
»Wächserne«, sagte ich, »deren Dochte lang
glimmen und die gut riechen, wenn sie ausgeblasen werden. Wer ist
Chevalier Jagellon?«
»Ihr kennt nicht den Alchimisten, der im Turm von Meister
Uhrenmacher wohnt und mit allen Mönchen spricht?«
Das kann es sein! schrie mein Extrasinn. Der Fremde!
Ich bemühte mich, mein freudiges Erschrecken nicht zu zeigen.
Ich sah zu, wie Abraham einem Gehilfen seine Liste gab und dann zu
rechnen begann. Ich lehnte mich gegen einen Ballenstapel, sah mich in
dem dämmerigen Gewölbe um und fragte nach einer Weile:
»Wann kam der Chevalier in die Stadt?«
»Vor ungefähr einem Monat. Er kauft regelmäßig
bei mir. Ihr wollt ihn kennenlernen, Herr?« »Vielleicht.«
Ich sah, wie Abraham auf kleine Zettel aus schwarzem Papier
schrieb; also hatte sich die
Erfindung bereits durchgesetzt. Pergament wurde immer weniger
benutzt, aber war noch in Gebrauch. Besonders bei den fleißigen
Mönchen, die Bücher abschrieben und es dabei manchmal nicht
sehr genau mit der Werktreue nahmen. Abraham sah auf, nannte die
Summe, und ich legte eine Reihe von Geldstücken auf das
Zahlbrett. Er prüfte sie sorgfältig, lachte dann auf und
meinte:
»Ich lasse alles hinaus ins Haus von de la Ramée
bringen. Heute abend, Herr?«
»Bevor es dunkel wird. Wo ist die Werkstatt des
Uhrenmachers?«
»Neben dem südlichen Turm, Herr. Soll ich Euch
hinführen lassen?«
»Gebt mir einen Jungen mit, der mich führt«,
sagte ich. Ich verließ den Laden, ritt langsam hinter dem
Jungen her, der den Zügel hielt. Wir durchquerten fast die ganze
Stadt, kamen an Bürgerhäusern vorbei, die aus Quadern,
Fachwerk und kleinen Fenstern bestanden. Die Reichen konnten sich
bereits kleine gläserne Scheiben leisten. Aber noch immer sahen
die Fronten aus, als würden sie argwöhnisch und abweisend
auf das Leben in den Gassen blicken. Die Badehäuser waren
geschlossen worden als die Pest begann.
Der Junge deutete auf ein schmalbrüstiges Haus, das mit der
Rückfront an der Stadtmauer und mit der rechten Seite neben
einem Wehrgang an einem runden, wuchtigen Turm mit Zinnen und
Schießscharten lehnte. Eine große, halb gemalte, halb
geschmiedete Uhr, deren Zeiger sich nicht rührten, befand sich
über einer Holztür. Der kleine Vorplatz des Hauses sah
überraschend gut gepflegt aus, der Unrat der Straße war
entfernt. Das war ein deutliches Zeichen.
Ich warf dem Botenjungen eine Münze zu und rief leise: »Danke
für den Weg! Ich finde allein zurück.«
Dann versuchte ich, Bewegungen hinter den Scheiben wahrzunehmen,
aber ich sah nicht mehr als einen Schatten. Warum verhielt sich
dieser Mann so, als wurde er ununterbrochen von Häschern
verfolgt? Warum dieses übergroße Mißtrauen?
Wahrscheinlich fühlt er sich zu Recht verfolgt! Aber nicht
von einem Arkoniden! Er tritt in einer neuen Maske auf.
Zuerst waren zwei reisende Scholaren einem Gelehrten gefolgt,
jetzt ritten zwei Edelleute einem Alchimisten nach. Ein Spiel der
Masken, das einen tieferen Sinn hatte, wenigstens für den
rätselhaften Fremden.
Langsam verdichtete sich mein Plan. Ich wendete das Pferd und ritt
langsam zurück und verließ die Stadt. Wir würden dem
Fremden auflauern.
Gegen Abend trafen die Lieferanten ein.
Sie trugen Körbe und Fässer, kamen mit Schubkarren und
kleinen Wagen, die erbärmlich quietschten. Sie luden die
Gegenstände, die Eßwaren und den Wein ab, und ich
überredete sie, an die Wundermedizin aus Spanien zu glauben. Ich
impfte ihnen allen das Serum gegen die Pest ein, etwa dreißig
Menschen waren gerettet. Dann programmierte ich einen der Falken und
setzte ihn auf unser Ziel an: Den
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