PR TB 098 Wettfahrt Der Entdecker
der
Betriebsamkeit. Der dumpfe Gesang, zusammengesetzt aus dem Ächzen
und den Kommandos am Gangspill erscholl. Langsam bewegte sich das
Schiff, vom Zug an der Trosse gezogen, über den schweren Anker
hinüber und brach aus dem
Untergrund. Die Rahen und Masten füllten sich mit den Segeln.
Trossen und Taue spannten sich, und Diego de Avarra wirbelte das Rad
des Ruders herum. Wir spähten hinüber ans Land: lange,
schwarze Schatten drangen aus dem Dschungel. Kanus, von Kriegern ins
Wasser geschoben. Ich lief hinunter auf Deck und erreichte das
drehbare Geschütz. Ich gab einige Anordnungen. Die
Munitionskiste wurde geöffnet, und ich richtete mit Hilfe der
beiden Kurbeln das lange, dünne Geschützrohr aus. Ich
zielte auf den Strand. Der Verschluß öffnete sich, wir
legten die erste Geschoßhülse ein. Dann wurde der
Verschluß herumgeworfen und arretiert.
»Wir nehmen Fahrt auf!« riefDiego vom Ruder.
»Verstanden! SetztmehrSegel!«
Die Männer in den Kanus ruderten und paddelten wie wild. Im
Licht des weißen Mondes waren sie ungenau zu erkennen.
Zweitausend Meter waren keine Entfernung, und das Schiff bewegte sich
jetzt noch sehr langsam. Die Holzteile knarrten. Ich zielte genau und
kalkulierte die ballistische Kurve ein. Dann ließ ich den Hahn
nach vorn schnappen.
Die Befestigung des Geschützes federte, als sich der Schuß
krachend aus dem Rohr löste. Einen Sekundenbruchteil später
entstand zwischen der TERRA und den vier Kanus die erwartete
Wassersäule. Eine riesige Fontäne sprang in die Luft,
schimmerte im Mondlicht auf und überschüttete die
Verfolger.
»Wir haben Fahrt!« riefDiego.
Ich wartete kurze Zeit, dann öffnete ich den Verschluß.
Die heiße Hülse rollte heraus und fiel klatschend ins
Wasser. Wir luden das Geschütz ein zweitesmal und feuerten.
Diesmal lag der Treffer näher und warf zwei der Kanus um.
Nachdem die heiße Hülse entfernt worden war, breitete
ich die Plane wieder über das Geschütz. Ich beschäftigte
mich eine halbe Stunde lang mit meinen Karten und gab die Kurse an.
Wir segelten am westlichen Rand der großen Insel entlang nach
Norden und würden diese Richtung beibehalten, bis wir auf
gleicher Höhe mit dem Flußdelta waren. Dann bogen wir nach
Südwesten ab und kamen an den Inseln Aru und Saum-laki vorbei.
Schließlich war ich fertig, sprach mit Diego den Kurs ab und
lehnte mich zurück. Der Druck in meinem Magen wurde langsam
unerträglich.
Sharms brachte mir einen Becher gewürzten Weines und setzte
sich auf die Lehne des festen Sessels.
»Agsacha ist unruhig«, sagte sie. »Er denkt
darüber nach, warum du ihn gefragt hast. . .«
»Holst du ihn, bitte?« bat ich.
»Gern.«
Wir musterten uns lange und schweigend. Endlich brach Agsacha das
Schweigen. Er sagte leise:
»Diese Frage, Atlan...«
»Ich weiß. Ich habe bewußt gefragt, Agsacha!
Hast du schon einmal einen Menschen aufgeschnitten?«
Er schüttelte stumm den Kopf. In seinen Augen stand ein
fragender, unsicherer Ausdruck.
»Du wirst meinen Magen öffnen, dort mein Amulett
herausholen und alles wieder zunähen. Das muß ich von dir,
meinem Freund, verlangen.« Ich spielte demonstrativ mit der Öse
der Halskette. Er sprang auf, starrte mich ungläubig an, während
sein Gesicht schneeweiß wurde.
»Das kannst du nicht verlangen!« rief er.
»Wenn du es nicht tust, muß ich in einigen Stunden
sterben. Tust du es, dann bin ich in drei Wochen wieder ganz gesund.
Ich habe niemanden, der dies vermag.«
Er setzte sich und murmelte dumpf:
»Sprich, Atlan!« sagte er.
Ich erklärte es ihm, wie ich es den beiden Ärzten vor
Troja erklärt hatte. Ich schilderte mit Hilfe von vier
verschiedenen Zeichnungen, welche Gewebeschichten er durchtrennen
mußte. Ich packte nacheinander die Geräte aus, die wir
brauchten. Diego kam nach einer Weile, und ich begann erneut. Er
würde, zusammen mit Sharma, die ihnen assistieren würde,
diese Operation vornehmen. Ich sagte ihnen, was ich tun konnte, was
sie tun mußten. Ich versuchte, ihnen die Angst zu nehmen,
mich umzubringen. Langsam begriffen sie, daß auch ein Mensch
ein Ding war, das man öffnen und wieder verschließen
konnte. Ich wünschte, ich hätte einen toten Eingeborenen
gehabt, um es ihnen zu demonstrieren. Das Risiko für mich war
größer als vor Troja, aber zu meiner eigenen Verwunderung
merkte ich, daß ich zu diesen drei Menschen volles Vertrauen
hatte. In den frühen Morgenstunden waren wir mit den
Schilderungen fertig, und ich bestimmte, daß die
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