PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
Weisheit.
Auch sie befand sich in einer undeutlichen, unsicheren Lage. Sie
erinnerte sich der Wochen, die sie zusammen mit Atlan kurz vor ihrer
Promotion in jenem idyllischen Rhonetal verbracht hatte. Sie mußten
sich verabschieden, weil der Lordadmiral von der USO gerufen worden
war. Dann liefen ihre Wege auseinander und hatten sich erst heute
wieder gekreuzt. Sie kam von jenen Tagen nicht mehr los, von der
brennenden, intensiven Absolutheit -sie erinnerte sich daran ebenso
gut wie der weißhaarige Arkonide mit seinem photographisch
exakten Gedächtnis. Deshalb, wußte sie, auch seine Unruhe,
als sie ihn eine volle Stunde lang beobachtet hatte.
Das Band endete dicht vor dem Personeneingang des Parkhauses. Es
gelang Ayala, Atlans Kodenummer zu erfahren und die Schlüssel
des Gleiters zu erhalten. Die Robotanlage brachte den Lambda heran,
und der Mann fiel schwer in den Beifahrersitz.
»Ruhe! Stille! Keine Menschen!« flüsterte er.
Sein Gesicht war eine Maske aus Qual und Verzweiflung. Im Licht des
Armaturenbrettes sah Ayala den Schweiß und die vielen Falten um
Augen und Nase.
»Wir sind sofort in Sicherheit!« sagte sie und
startete.
Der Gleiter fegte mit überhöhter Geschwindigkeit hinaus
auf die Fahrspur. Ayala schaltete einen Kontakt, und die automatische
Steuerung griff ein. Der Gleiter raste aus dem Gelände rund um
den Handelshafen und aus Atlan Village hinaus, auf die breite Straße,
genau auf den Kybernetischen Turm zu, in dessen Bar Atlan und Ayala
sich zum erstenmal bewußt begegnet waren. Als sie aus dem
langen, ausgeleuchteten Tunnel heraus waren, sagte Atlan:
»Wer bist du, Mädchen?«
Er starrte sie mit weit offenen Augen an. Und doch sah es aus, als
sehe er an ihr vorbei oder durch sie hindurch.
»Ich bin Katya«, sagte sie. Später konnte sie
sich nicht mehr erklären, warum sie ausgerechnet in diesem
Moment den Namen des längst zu Staub zerfallenen
Cromagnonmädchens verwendet hatte, dem sie, wie Atlan damals
erklärt hatte, so verblüffend ähnlich sah.
»Du bist nicht Tairi No Chiyu?« fragte der Arkonide.
»Nein«, sagte sie.
Ihr Haar und das Atlans bewegten sich im Fahrtwind. Von unten, aus
dem Fußraum, kam heiße Luft nach oben und mischte sich
mit der kühlen Luft des Frühlingsabends. Atlans Schweiß
trocknete rasch. Die Hand des Mannes tastete umher, bis sie den
Schalter für die automatische Einstellung der Rückenlehne
fand. Dann, als Atlan bequem zurückgelehnt lag, den Hinterkopf
auf die Nackenstütze gepreßt, sagte er:
»Es war eine Zeit, an die ich mit Schaudern zurückdenke.
Noch schlimmer als die Jahre im Dreißigjährigen Krieg.«
Ayala stutzte, schaltete die automatische Steuerung aus und suchte
nach der Hinweistafel für eine Ausfahrt oder einen
Aussichtsplatz.
»Ich weiß nichts von dieser Zeit«, sagte sie
wahrheitsgemäß. Mitleid und Bedauern überkamen sie.
Heute wurde sie wieder mit etwas konfrontiert, das den meisten
Menschen Unbehagen verursachte: ein Mann, der Leonardo da Vinci und
Claudio Monteverdi persönlich gekannt hatte, der mit den
Feldherrn des langen Krieges getrunken hatte, der vor Magellan
gesegelt war, berichtete aus einer Zeit, die längst vergangen
war und dennoch die Gedanken, die Zivilisation und die Kultur des
Volkes der Erde entscheidend geprägt hatte. Atlan war dabei
gewesen.
»Es war um das Jahr siebzehnhundert in Japan«, sagte
Atlan. »Ein Fremder kam in einem winzigen Raumschiff.«
Jetzt erreichte er die Phase, die seinen Bericht einleitete. Er
war außer
Bewußtsein. Nur sein Extrahirn und seine Erinnerungen
arbeiteten zusammen und steuerten die Bewegungen von Kehlkopf und
Stimmbändern.
Ayala griff in die Steuerung, bremste die rasende Fahrt des
offenen Gleiters ab und lenkte das Fahrzeug eine schräge Rampe
hinauf. Dann schaltete sie einige der zehn Frontscheinwerfer an und
fand eine geschützte Stelle unter den tiefhängenden Ästen
eines uralten Baumes.
»Du warst in Japan?« fragte sie leise, als die
Maschinen abgeschaltet waren und nur das feine Summen des eingebauten
Aufnahmegerätes in der Stille zu hören war.
»Ich war in Japan«, sagte Atlan. Seine Stimme war
wieder fest und deutlich geworden. Er bewegte sich nicht in dem
Beifahrersessel, der fast ganz waagrecht nach hinten geklappt war.
»Warum?«
»Mich weckte Rico, weil wieder ein Raumschiff gelandet war«,
erwiderte der Arkonide.
Ayala zündete sich eine lange Zigarette an, schaltete
sämtliche Lichter im Gleiter aus, sah hinauf in die Sterne und
hörte
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