PR TB 105 Signale Auf Kanal Acht
Ministerrates mochte bemerken, daß der
Fremde ihm die Schau stehlen würde, wenn er nicht rasch die
Initiative ergriff, die sein Polizeioffizier sich offenbar hatte
entgleiten lassen. Seine vollen Lippen öffneten sich -ein
faszinierender Anblick für Orin, der sich an eine Molluske
erinnert fühlte, die den Schlund öffnete, um alles zu
verschlingen, was sich vor ihrem Rachen befand. Mit einer Stimme,
deren Wohlklang in merkwürdiger Diskrepanz zum Aussehen des
Mannes stand, eröffnete der Vorsitzende des xanthischen
Ministerrates die Unterhaltung.
„Ich sehe, daß der Feind des Staates sein wahnwitzi
ges Vorhaben endlich aufgegeben hat und bereit ist, sich für
seine Taten zu verantworten."
Orin wußte, daß er gegen eine wenigstens ebenbürtige
Intelligenz kämpfte. Er durfte keine Sekunde lang zulassen, daß
der Mann einen geistigen Vorsprung erhielt.
„Ich bin schon des öfteren in jüngster Zeit für
einen zerknirschten Sünder gehalten worden", antwortete er
lächelnd. „Deshalb möchte ich an dieser Stelle zu
Protokoll geben, daß ich keine meiner Handlungen bereue, daß
ich im Gegenteil die Regierung von Xanthin für unverantwortlich
halte, und schließlich, daß ich nur
hierhergekommen bin, um mit eben dieser Regierung, die über
ihrer Geldgier den Sinn für das Wohlergehen ihrer Bürger
völlig verloren hat, einen Waffenstillstand zu schließen,
der mir und meinen Schutzbefohlenen ermöglicht, dieser Welt für
immer den Rücken zu kehren."
Es war klar, was der Vorsitzende vorhatte. Er wollte der Welt
zeigen, daß das Problem, das in Form des großsprecherischen
Fremden aufgetaucht war, mit einer einzigen Handbewegung beseitigt
werden konnte. Er blickte über Orin hinweg auf seinen
Polizeioffizier, WarpotikXan.
„Nimm diesen Mann hinweg und laß ihn auf der Straße
vor dem Palast erschießen!"
Warpotiks Vertrauen in die Allmacht seines Regierungschefs war so
groß, daß er sich unverzüglich in Bewegung setzte.
Orin wandte sich um und musterte ihn mit unverhohlenem Spott.
„Mann, dir zittern doch die Knie", verhöhnte er
ihn. Dann drehte er sich wieder in Richtung des Vorsitzenden.
„Auf dem Weg hierher fuhr ich durch die Straßen der
Stadt", klang es mit klarer, harter Stimme. „Ich sah die
Leute auf den Straßen -verwirrt, kopflos, panikerfüllt.
Sie wußten nicht, was sie tun sollten. Viele waren dabei, ihre
Habseligkeiten zu packen, um aus Warpoq zu fliehen. Wohin, das wußten
sie selber nicht. Nur weg von hier, weit weg, um einer Katastrophe zu
entgehen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Die Verwirrung
greift um sich, weil es in der Stadt nur noch eine Handvoll von
Polizisten gibt, die die Straßen entlangfahren und den Leuten
auseinandersetzen können, daß die i3ft
Nachrichtensendung gefälscht war. Die Mehrzahl der Polizisten
von Warpoq steckt in den Hügeln nördlich der Stadt, um nach
sogenannten Staatsfeinden zu suchen und sie gnadenlos zu ermorden, wo
immer sie sich zeigen. Du hast die Nachrichten gehört. Du weißt
am besten, daß sie gefälscht sind. Ich frage dich:
Wieviele solcher Sendungen kann deine Regierung ertragen? Und wie
wird sie mit noch schwerwiegenderen Verwirrungsmanövern
fertigwerden, die meine Gefolgsleute ins Werk setzen, sobald es
bezüglich meiner Sicherheit auch nur den geringsten Zweifel
gibt?"
Er schwieg. In der Zwischenzeit hätte Warpotik Xan ihn
dreimal erreichen können. Er sah sich nicht nach ihm um, aber er
wußte, daß Warpotik stehengeblieben war. Er hatte die
erste Schlacht gewonnen. Die Miene des Vorsitzenden hatte den
Ausdruck der Selbstgefäl
ligkeit verloren. Auf den Sesseln rechts und links raschelte es,
als die bevorzugten Mitglieder des Ministerrates sich zurechtsetzten,
um der erstaunlichen Entwicklung der Dinge besser folgen zu können.
„Natürlich blufft du", wies der Vorsitzende Orins
Darstellung zurück. „Die Verfälschung einer
Nachrichtensendung war ein Glückszufall, den du auszuschlachten
versuchst. Niemand vermag es, unsere Sicherheitsvorkehrungen so
gründlich zu durchdringen, wie es notwendig wäre, um das
von dir geschilderte Chaos hervorzurufen."
„Niemand auf Xanthin!" rief Orm. „Die Leute hier
sind Händler, vor wenigen Jahren noch waren sie Bauern. Euer
zentrales Rechnersystem wurde von Außenseitern installiert,
eure Elektroniker wurden im Eilmarsch durch Ausbildungskurse
geschleust. Du hast recht: Niemand auf Xanthin versteht das System
gut genug, um es zu verwirren. Aber ich komme nicht von Xanthin,
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