PR TB 108 Der Arkonide Und Der Sonnenkönig
Haus. Jetzt befanden wir uns
offiziell im Bannkreis dieses ungewöhnlichen Mannes und dessen
noch ungewöhnlicheren Regierungssitzes. Mehrere tausend Adelige
aus dem ganzen Land lebten hier in Versailles. Zugleich war hier die
Elite des Landes: Männer wie Racine arbeiteten und sprachen
hier.
Jean schlief in einem der acht Zimmer des Erdgeschosses, und wir
hatten es uns in drei Zimmern
des oberen Geschosses bequem gemacht. In einigen Tagen würden
die Handwerker kommen; neue Vorhänge, neue Teppiche, ein Teil
der Möbel mußte ersetzt werden. Das Kaminfeuer brannte,
neben der Tür lag wachsam der Robothund. Als erstes hatten wir
das Badezimmer gesäubert und die Einrichtung überholt -
jetzt brannte unter dem Kessel ein Feuer; es war überall
gemütlich warm. Die Gegenstände unseres persönlichen
Besitzes schufen um uns herum eine Atmosphäre der Behaglichkeit.
Ich freute mich bereits auf das duftende Bad.
»Noch niemals bin ich der Passage nach ARKON so nahe
gewesen, wenn ich vom goldenen Schiff absehe«, sagte ich. »Ich
bedaure selbst, dieses Versailles verlassen zu müssen. Ich hätte
hier viel lernen und viel lehren können.«
Aus der Richtung des Bettes her erwiderte Tairi:
»Das alles kannst du, wenn du mit einer Flotte zurückkommst.
Nimmst du mich mit nach ARKON, Liebster?«
»Selbstverständlich!«
Das Volk, das den Hof um den König bildete, war keineswegs
als elegant oder degeneriert zu bezeichnen. Es waren meist Leute vom
Land, die schlechte Manieren besaßen und an die Widrigkeiten
des Daseins gewohnt waren. Alle Untertanen, die gut angezogen waren,
wurden zur Audienz eingelassen und konnten mit der Majestät
sprechen.
»Morgen nacht ist ein Feuerwerk angesagt. Und Reiterspiele
auf dem Hof!« begann Tairi zu schwärmen.
»Wir sehen uns das Spektakel an, Liebste!« versprach
ich.
Wir lagen nebeneinander auf den weichen Matratzen des Prunkbettes.
An der Decke und in den Vorhängen flackerten die Flammen des
Kamins. Über dem Schloß und der Umgebung lag eine
unirdische Ruhe. Nur ein leichter, warmer Wind spielte mit den
Blättern. Morgen würde ich versuchen, mit Gabrielle zu
sprechen. In Gedanken versuchte ich mein Anliegen zu formulieren und
meine Argumente zurechtzulegen, aber dann lenkte mich das Mädchen
ab, das sich mit aufgelöstem, schulterlangem Haar über mich
beugte.
9.
An diesem späten Abend schienen Tausende auf den Beinen zu
sein.
Tairi und ich hatten unsere besten Kleidungsstücke
herausgesucht. Wir sahen fremdartig, aber dennoch modisch aus. Ich
trug meinen Degen und eine der Waffen, und das Mädchen sah
hinreißend aus. Nur wenige Männer, an denen wir
vorbeikamen, drehten sich nicht um oder machten entsprechende
Bemerkungen. Die mehr als vierhundert Meter lange Fassade des
Schlosses war erleuchtet; Kerzen standen hinterjedem Fenster.
Rund einhundert Statuen, höher als zwei Meter, schimmerten in
diesem milden Licht auf. Die Flüsse und Ströme Frankreichs,
in Bronze von den hervorragendsten Künstlern ausgeführt,
umstanden das Wasserparterre und die beiden Kabinette. Sie schienen
die flanierenden Gäste anzusehen. Man hatte Plattformen
aufgeschlagen, auf denen die Musiker saßen, die Noten von
Windlichtern beleuchtet.
»Solche Feste wechseln sich das ganze Jahr über ab
...«, hörte ich jemand sagen. »Deswegen bin ich
hier!«
Wir lächelten Menschen zu, deren Gesichter wir zu kennen
schienen. Die Namen kannten wir nicht. Dann ertönte ein scharfer
Ruf. Ein Trommelwirbel, dann zerschnitten die Töne der Fanfaren
die Stille.
Ein dreisätziges Stück, dessen hauptsächlich
verwendete Instrumente Fanfaren, Pauken und Trommeln waren, wurde
gespielt. Zwei Orchester und zwei Gruppen von Solisten saßen
sich gegenüber, durch mehr als dreißig Meter getrennt -
die Echowirkung
war verblüffend und höchst reizvoll. Als der letzte Ton
verklang - die Menge war inzwischen
verstummt -, stieg am Ende des großen Kanals die erste
Rakete in die Luft, zerteilte sich und entfaltete sich wie eine Blume
aus Feuer und Farben. Die Menge stieß bewundernde Rufe aus. Die
Musiker packten ihre Instrumente zusammen und warteten.
Dann eine Kette von Donnerschlägen und gewaltigen Blitzen.
Ein künstliches Gewitter tobte am anderen Ende des Parks.
Es erinnerte mich an etwas.
Der Extrasinn murmelte drängend: Denke an die primitiven
Geschütze, an die Explosionen der Pulverfässer, an die
Schrapnells ... damals, im Dreißigjährigen Krieg. An das
Schiff...
»Es ist prächtig.
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