PR TB 109 Das Unsichtbare Netz
stieß sich mit den Stöcken ab und glitt mit Schwung
den Hügel hinab. Mühelos fand sein Automatischer Okrill die
für Menschen unsichtbare Spur wieder, die der Roboter
hinterlassen hatte.
Doch diesmal begnügte sich Guy Nelson nicht damit, seinem
Assistenten mühselig Kilometer um Kilometer auf den Schiern zu
folgen. Er schloß sein Helmvisier wieder, aktivierte die
Flugaggregate im Rückentornister und justierte die
Automatsteuerung ein.
Von da an schoß er mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit
von vierzig Stundenkilometern wenige Zentimeter über der
Schneedecke dahin.
Etwa eine halbe Stunde lang ging das so, dann bremste die
Automatsteuerung plötzlich ab, die Sohlen der Langlaufschi
berührten den Schnee, und der Mini-Computer teilte über
Helmfunk mit:
»Ende der Infrarotspur wurde achtzehn Meter zuvor
überflogen. Flugaggregat ist desaktiviert.«
Guy setzte so hastig zu einem Schneepflug an, daß sich sein
Schwerpunkt verlagerte und er das tat, was Skifahrer »die
Backenbremse ziehen« nennen.
Fast eine ganze Minute lang lag er im Schnee und versuchte geistig
zu verarbeiten, was ihm der Mini-Computer mitgeteilt hatte.
Wie konnte die Spur Georges plötzlich enden?
Natürlich konnte sie sich in der Atmosphäre verlieren,
dann nämlich, wenn der Roboter seine Flugaggregate aktiviert
hatte und aufgestiegen war. Der Sturm mußte die kinetische
Wärmespur verwischt haben.
Schließlich rappelte Guy sich auf und lief den Weg zurück,
bis der MiniComputer ihm meldete, er sei auf das Ende der Spur
gestoßen.
Der Kapitän öffnete sein Helmvisier und murmelte eine
Verwünschung. Dann löste er die Bindungen, stieg von den
Brettern und wühlte mit den Händen im Schnee.
Nach knapp einer halben Minute hatte er gefunden, was er vermutet
hatte: ein auf Leistungsabgabe gestelltes Mikro-Thermoelement, das
noch nicht lange erloschen sein konnte, denn es war ein wenig wärmer
als das Schneewasser ringsum.
In dem kleinen Wasserloch, an dessen Rand das Element lag, fand
dann Guy auch den funkferngesteuerten Instrumententräger, eine
flache Scheibe von fünf Zentimetern Stärke und zwanzig
Zentimetern Durchmesser.
Guy wußte nicht, wem er den Vorrang geben sollte, dem Zorn
darüber, daß George ihn an der Nase herumgeführt
hatte oder der Bewunderung über das Raffinement, mit dem er
dieses Ziel verfolgte.
Er entschloß sich endlich, das Verhalten Georges zu
bewundern, weil er damit indirekt sich selbst bewundern durfte.
Wer weiß, wo sich George zur Zeit befindet, überlegte
er. Sicher ist er in einigen hundert Metern Höhe weitergeflogen,
nachdem er das Thermoelement bis zum ausgewählten Zielpunkt
gesteuert hatte.
Theoretisch wäre es nicht unmöglich gewesen, nach der
richtigen Spur des Roboters zu suchen. Doch der Automatische Okrill
in Guys Expeditionsanzug besaß nur einen geringen
Erfassungskegel, so daß die Suche Tage dauern konnte.
Das wäre sinnlos, entschied Guy, denn bis dahin würde
George mehrmals weitere falsche Spuren gelegt haben.
Er blickte hoch, als das Reflexionslicht der Schneeoberfläche
sich verdunkelte. Die Sonne Makolith war hinter die eisverkrusteten
Tannenwipfel gesunken, dadurch entfachte sie ein tiefblaues
glitzerndes Feuer im Labyrinth der Bäume.
Noch zehn Minuten, dann würde es Nacht sein.
Guy holte tief Luft, stieg auf die Bretter und verschloß die
Bindungen. Danach schob er die Profilsohlen mehrmals über den
Schnee, um sie von angebackenem Matsch zu säubern.
Anschließend setzte er sich in Bewegung, lief mit
gleichmäßigen, weitausholenden Schwüngen den Weg
zurück. Es spielte keine Rolle, daß der Schnee weich und
wäßrig war; die Fluorplast-Beschichtung der Schier wirkte
wie ein hauchdünner Schmierfilm.
Als es dunkel wurde, zerstreute sich der Rest der Bewölkung.
Guy Nelson erblickte einen funkelnden Sternenhimmel über der
Landschaft. Er nahm die Schönheit des Anblicks in sich auf,
verwahrte sie in seinem Gedächtnis für Zeiten, in denen er
von Erinnerungen würde zehren müssen.
Dann setzte er den Weg fort.
Er benutzte das Flugaggregat nicht. Es hätte ihn daran
gehindert, die rasch abkühlende prickelnd klare Nachtluft zu
genießen, das Flüstern des verharschenden Schnees unter
den Brettern zu hören und zu fühlen, wie sein Körper
die physische Anstrengung des Langlaufs und dessen physiologische
Folgen genoß.
Hin und wieder blieb er stehen, lauschte dem Rascheln von Schnee,
der von Nadelbäumen fiel, dem klatschenden Geräusch
schwerer Schwingen
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