PR TB 111 Der Besessene Von Capucinu
hatte und am Rand der Spalte anhielt,
konnten sie erkennen, daß der Spalt die Grundform eines S
hatte, mit einer runden Ausbuchtung in der Mitte, an der breitesten
Stelle vielleicht dreißig Meter durchmessend. Das gesamte Tal
war über und über grün und bewachsen. Das Wasser, das
an einigen Stellen wie ein artesischer Brunnen hochgedrückt
wurde, vollführte seltsame Wege und Umwege. Vorsichtig glitt der
Koumura über den Rand der Spalte und lief langsam auf einem
Felsband entlang, das vier Meter breit war und schräg nach unten
führte, dem Verlauf der fast senkrechten Wand folgend. Es ging
um Hunderte von Kehren und Windungen.
"Hier lebt der Einsiedler?"
Coralis schnupperte in der Luft. Auch Maras konnte einen schwachen
Geruch nach Rauch ausmachen.
"Wahrscheinlich lebt er noch. Ein Mann, dervor langerZeit
hierherzog und seitdem das Tal niemals verließ. Aber er weiß
alles."
"Erstaunlich!" gab Maras zu. "Vielleicht kennt er
auch die Lösung meiner Fragen."
"Das ist so sicher, wie es heute Nacht wird."
"Du vertraust ihm?"
"Man sagt, jeder könne ihm vertrauen. Er ist selbstlos."
"Vielleicht nennt man ihn deshalb den Weisen", schloß
Maras.
Der Weg führte jetzt auf einem felsigen Grat zwischen
riesigen Baumfarnen undAenen dunkelgrün-silbernen Bäumen
entlang. Der Koumura durchschritt den Lauf eines Baches, der einige
Meter weiter zu einem tobenden Gießbach wurde, Kaskaden bildete
und Wassernebel versprühte. Trauben von Libellen hingen in den
schrägen Bahnen des Sonnenlichtes, das nuram Mittag die Talsohle
erreichte. Die Insekten funkelten wie Edelsteine. Eine Wolke
fliegenderAmeisen stob vorbei und prallte wie feiner Hagel gegen die
Panzerplatten des Koumura.
"Abgesehen davon", fragte Maras, als sie auf ein Band
groben Kies kamen, der vom Wasser im Lauf der Zeit bloßgelegt
und gerundet worden war, "daß dieser Mann weise ist - was
tut er hier?"
"Er lebt hier und hängt Gedanken nach."
Maras seufzte.
"Ein beneidenswerter Mann."
"Ein weiser Mann", gab Corsalis zurück. "Du
beneidest ihn? Du warst jahrelang in seiner Lage. Warum warst du
nicht glücklich?"
"Ich war krank."
"Krank im Geist?"
"Nein", sagte Maras. "Meine Haut war silbern, über
und über. Und ich war ansteckend. Man hat mich hierausgesetzt.
Khodaina heilte mich."
"Khodaina ist die Tochter des Herrschers von Traspe, der
überaus reichen Hafenstadt", sagte der Häuptling
leise. "Sie ertrug das Leben im Glanz nicht mehr und ging in
jene kleine Stadt, um den Kranken zu helfen."
"Ja!" sagte Maras.
So war das also. Vermutlich hatte sie ihn nur diese eine Nacht
geliebt, weil er ein Bote aus einer Art Welt war, die sie verlassen
hatte. Maras würgte seine Erinnerungen herunter und holte tief
Luft.
"Wirsind da."
Der Koumura hielt von selbst an.
Was Maras hier sah, mußte die Arbeit von Generationen sein.
Anders war es kaum möglich. Direkt vor ihnen, über einer
langen Treppe mit flachen Stufen, sprang wie ein Schiffsbug ein Haus
aus dem Felsen vor, selbst aus dem Fels herausgemeißelt. Es sah
aus wie eine moderne terranische Plastik. Keine Öffnung war, im
Verband mit den anderen, symmetrisch angebracht, keine Öffnung
besaß eine Kante im Neunzig-Grad-Winkel. Die Löcher waren
verschieden groß und mit dicken bunten Glasscheiben versehen.
Hinter dem Haus, wie eine riesige Treppenanlage, zogen sich Felder
hin. Sie waren nichts anderes als riesige Tröge, die ebenfalls
entlang der Felswand gebaut worden waren, ein Becken über dem
anderen. Hydrokulturen, schoß es Maras durch den, Kopf.
Erzählte sie schnell; sieben Becken, in Schleifen und Kurven
angelegt, von Wasser durchflossen, das aus Kanälen mit geringem
Querschnittvon den Felsen heruntergeleitetwurde.
"Homra!" rief Corsalis.
Ein Mann kam aus dem Haus und blieb am Kopfende derTreppe stehen.
"Ihr kommt in Frieden, sehe ich am Hörn des Koumura. Und
ihr kommt von weither, vom Meer."
"So ist es! Wir kommen in Frieden, und wirwollen deinen Rat,
Homra!" rief Maras.
"Steigt ab, kommt herauf!" war die Antwort.
Sie versorgten den Koumura und führten ihn in einen Teil des
Tales, in dem es keinen Schaden anrichten konnte. Sie warfen ihm die
letzten der unterwegs geschossenen Hoorrvor, dann nahmen sie ihren
Proviant mit und gingen ins Haus. Homra erwartete sie. Er trat mit
erhobener Hand, die Handfläche nach vorn, auf Lombardi zu.
"Du mußtjener Mann sein, den sie den .Wanderer'
nennen!"
"Ich sehe, du sprichst mit den Vögeln", sagte
Maras. "Weißt du auch, was mein Ziel
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