PR TB 134 Das Parachron Attentat
Gast. »Julian
Tifflor?«
»Derselbe«, antwortete Julian gelassen.
»Kommen Sie mit, Sie sind verhaftet!«
Zum drittenmal auf seiner langen Reise saß Julian Tifflor in
seiner Zelle. Diesmal jedoch war seine Lage anders: man hatte ihm
alles abgenommen, was er bei sich trug, selbst die Oberbekleidung.
Halbnackt saß er frierend auf dem Rand der Liege in dem kahlen,
kalten Gemach. Er befand sich im Verwaltungsgebäude der Sol-Ab,
soviel hat er aus den Wagenfenstern sehen können. Keiner der Sol
Ab-Männer hatte auch nur ein Wort mit ihm gesprochen. Er wußte
nicht, weswegen er verhaftet worden war und wie lange man ihn hier
behalten wollte.
Er hatte eine vage Vorstellung davon, wie man auf ihn aufmerksam
geworden war. Simon
Levenstein hatte ihn von Anfang an - wenn nicht sogar bis zum
Schluß - für den Lordmarschall gehalten. Von ihm war also
die Anzeige nicht ausgegangen. Aber einmal während der
Unterhaltung hatte er einen sorgenvollen Blick in die Höhe
geworfen. Was Julian für ein Stoßgebet an die Mächte
des Himmels gehalten hatte, war in Wirklichkeit wohl ein verstohlener
Hinweis auf ein Abhörgerät oder eine verborgene Kamera
gewesen.
Das waren die Methoden der Tyrannei: eine Verhaftung ohne Angabe
des Grundes, die menschenunwürdige Unterbringung in einer kalten
Zelle ohne ausreichende Bekleidung, die elektronische Bespitzelung
selbst der höchsten Regierungsbeamten. Diese Welt mochte der
seinen äußerlich wie ein Ei dem ändern gleichen, aber
in ihrer Unfreiheit war sie von ihr unendlich weit entfernt.
Er wußte nicht, wie lange er da gesessen und vor sich
hingegrübelt hatte, als plötzlich von der Decke herab eine
unpersönliche Stimme erklang:
»In zwanzig Sekunden wird sich die Tür dieser Zelle
öffnen. Treten Sie hinaus und wenden Sie steh nach rechts.
Weitere Anweisungen folgen.«
Er zählte bis zwanzig. Die Tür glitt summend zur Seite.
Er stand auf und trat hinaus. Weisungsgemäß hielt er sich
nach rechts, in einen kahlen, grell erleuchteten Gang hinein, in
dessen Wänden weitere Zellentüren lagen. An einer
Gangkreuzung erhielt,er, wiederum von oben herab, den Befehl:
»Weiter geradeaus!«
Er kam an eine zweite Tür, die sich vor ihm öffnete, als
er sich ihr bis auf drei Schritte genähert hatte, und
schließlich eine dritte, die sich ebenso willfährig
verhielt.
»Zehn Meter vorab liegen zur Rechten mehrere Aufzugschächte.
Besteigen Sie den Aufzug, dessen Tür offensteht.«
Er gehorchte. Kaum hatte er die Kabine betreten, da setzte sie
sich in Bewegung und schoß in die Höhe. Die Fahrt dauerte
eine ganze Weile. Entweder hatte sich seine Zelle tief unter der Erde
befunden, oder er bewegte sich durch ein Gebäude von
schwindelnder Höhe. Er war nicht sicher, ob er sich noch in der
Zentralverwaltung der Solaren Abwehr befand. Er schätzte die
horizontale Distanz, die er in dem kahlen Gang zurückgelegt
hatte, auf wenigstens zweihundert Meter.
Der Aufzug hielt mit einem sanften Ruck. Die Tür öffnete
sich. Er blickte in ein geräumiges Zimmer, an dem zuerst
auffiel, daß es mehr mit elektronischem Gerät als mit
konventionellen Möbeln ausgestattet war.
Dann erblickte er den Mann im Hintergrund. Er war im Begriff
gewesen, den Aufzug zu verlassen; aber bei dem Anblick, der sich
ihmjetzt bot, versagten ihm die Muskeln den Dienst.
Schließlich trat er vollends aus der Kabine heraus, tat zwei
Schritte und blieb stehen. Julian starrte den Mann an, der an der
rückwärtigen Wand des Raumes stand.
Den Mann, der er selbst war!
Die Übereinstimmung war vollkommen. Dieselbe Körpergröße,
dieselbe Haar- und Hautfarbe, ja, sogar derselbe Haarschnitt. In der
Nähe des Kinns zeigte sich eine kleine Narbe, dieselbe Narbe,
die auch Julian Tifflor zur Erinnerung an einen kleinen Unfall vor
rund achthundert Jahren trug.
Nur in Äußerlichkeiten waren die beiden Männer
verschieden. Der andere trug eine straffsitzende, graue Uniform, frei
von Orden und Ehrenzeichen und nur mit einem goldenen, siebenzackigen
Stern auf den Schulterklappen. An dem breiten Gürtel war ein
Holster befestigt, aus dem der Griff einer Strahlwaffe hervorragte.
Die beiden Männer musterten einander wortlos. Julian hatte
bei dem Gedanken, eines Tages seinem Doppelgänger
gegenübertreten zu müssen, früher ein gewisses
Unbehagen empfunden. Davon spürte er jetzt nichts mehr. In ihm
war nur noch Staunen über die Fähigkeit der Natur, derart
vollkommene Gleichheit zu erzeugen, und Neugierde.
Und dann entdeckte er
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