PR TB 143 Der Mann Mit Der Maske
rekonstruieren kann", antwortete
der Mediziner, „kam Barsov von der Arbeit nach Hause und mixte
sich an der Servoautomatik einen Cocktail. Die Flüssigkeit muß
zwei chemische Komponenten enthalten haben, die unter geeigneten
Bedingungen heftig miteinander reagieren, explosiv reagieren, möchte
ich sagen. Wahrscheinlich handelt es sich um synthetische Substanzen
aus der Klasse der Ultrahochenergieträger. Bei solchen
Reaktionen werden Energien umgesetzt, die fast schon an die
Energieausbeute von Kernreaktionen heranreichen."
Mark Richter verstand genug von der Chemie der
Ultrahochenergieträger, um dem Arzt folgen zu können.
„Sie sagen, beide Substanzen seien in dem Getränk
enthalten gewesen. Warum haben sie nicht sofort miteinander
reagiert?"
„Weil sie das bei normalen Temperaturen nicht können.
Die kinetische Energie der Moleküle muß über einem
gewissen Schwellenwert liegen, bevor die Reaktion einsetzen kann. Die
Substanzen zu erhitzen, ist eine der Möglichkeiten, wie man eine
Reaktion in Gang bringen kann."
„Und die andere?"
„Die Anwendung eines Katalysators."
„Welche Möglichkeit wurde in Barsovs Fall angewandt?"
„Der Katalysator. Magensäure. In dem Augenblick, in dem
die ersten Tropfen des Getränks in den Magen gelangten,
explodierte Barsov..."
Die Polizisten hatten die Leiche entfernt und Mark Richter in
Barsovs Appartement alleine gelassen. Er inspizierte einen Raum nach
dem ändern. Auch die Wohnküche ließ er nicht aus.
Eine Durchsuchung der Schränke und Laden, in denen Nodger Barsov
sein Eigentum aufbewahrte, förderte nichts Nennenswertes zutage.
Barsov hatte wenig gelesen und noch weniger geschrieben. In der
ganzen Wohnung gab es kein einziges Stück handschriftlicher
Aufzeichnung. Während Mark von einem Raum zum ändern ging,
fragte er sich, was Nodger Barsov für ein Mensch gewesen sein
mochte. Er kannte seinen Beruf, seinen Hintergrund, sein Alter - er
wußte auf den Solar genau, wieviel er im Monat verdiente, all
das war aus den Unterlagen, die Frank Beaulieu ihm zur Verfügung
gestellt hatte, ersichtlich geworden. Aber was wußte er über
den Menschen Nodger Barsov? Wie er gelebt, wie er seine Abende
verbracht, auf welche Weise er sich amüsiert hatte?
Barsov war offenbar nicht der intellektuelle Typ gewesen. Es gab
ein Zimmer, das nur Kommunikationsgeräte enthielt, zum Beispiel
einen Fernsehempfänger mit einer riesigen 3D-Bildfläche.
Aber das Zusatzgerät, das es Barsov ermöglicht hätte,
sich mit den öffentlichen Informationsdiensten in Verbindung zu
setzen und sich zum Beispiel Bücher aus den staatlichen,
städtischen und privaten Büchereien überspielen zu
lassen, oder die Aufzeichnung von Theatervorführungen... dieses
Zusatzgerät gab es nicht. Nodger Barsov hatte mit dem Programm
vorlieb genommen, das die verschiedenen Fernsehnetze anboten:
Nachrichten, Unterhaltung, ein wenig Kultur.
Mark Richter musterte den bequemen Sessel, der der großen
Bildfläche gegenüber aufgestellt war. Dem Modell nach zu
schließen, mochte er drei bis vier Jahre alt sein. Der Bezug
wies Spuren der Abnutzung auf. Es war deutlich, daß Barsov hier
viele Stunden verbracht hatte, im Sessel liegend, das Programm dieser
oder jener Fernsehstation auf sich einwirken lassend. Unweit des
Sessels war auf einem
Tischchen eine zweite Servierautomatik eingerichtet. Nodger Barsov
war einem Drink hier und da nicht abhold gewesen. Auch das gehörte
mit zu dem Bild, das Mark sich von dem Ermordeten machte.
Er setzte sich selbst in den Sessel und wartete geduldig, bis die
vielfache Gliederung des Möbelstücks sich auf seine
Körperform und Gewichtsverteilung eingestellt hatte, so daß
es ihm die Position der höchsten Bequemlichkeit bot. Er hatte
jetzt den Bildempfänger vor sich, etwa vier Meter entfernt, also
bequeme Sichtweite. Wie oft mochte Nodger Barsov hier geruht haben,
die geistige Stimulation den Programmgestaltern des Fernsehens
überlassend.
Warum war er überhaupt getötet worden? Wer hatte diesen
teuflischen Anschlag arrangiert? Nach dem, was Mark Richter wußte,
war Nodger Barsov ein harmloser Mann gewesen. Ein bißchen von
einem Nörgler vielleicht, wie die ersten Recherchen ergeben
hatten, aber immer noch harmlos, mit wenig Aussicht auf eine
fulminante Karriere, einer aus dem Massenheer derjenigen, die kamen
und gingen, ohne irgendwo eine Spur zu hinterlassen. Warum hatte ein
solcher Mann sterben müssen?
Mark stand wieder auf. Sein Blick war auf den
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