PR TB 152 Der Stadtebauer
,Seeadler war entweder ins Meer geschwemmt worden oder hatte
sich über die rasenden Wolkenmassen erhoben.
Der Sturm erfüllte die Luft mit einem schrillen Tosen.
Überall aufdem schlüpfrig gewordenen Deck und, unterdem
geteilten Decksaufbau sah ich undeutlich nasse, glänzende
Körper, die umherkrochen und einen festen Halt suchten. Mit Mühe
drehte ich mich um und sah Rajgir, dervon den gewaltigen Hebelkräften
des Ruders hin und her geworfen wurde, mitden ledernen Stiefelsohlen
überdie Planken rutschte und an dem Balken zerrte.
Unsere Blicke trafen sich. Er öffnete den Mund und schrie
etwas.
Er braucht dich! sagte der Logiksektor.
Ich packte ein Tauende, das im Sturm herumschwang, ließ es
durch den eigenen Schwung um den Unterarm aufrollen und zog mich,
eine entsprechende bockige Bewegung,des Vorschiffs abwartend, aufdas
Achterdeck hinauf.
Das Tau löste sich, ich packte das Ruder.
".. . brauche Hilfe!" brüllte Rajgir.". . .
üblerWind."
Ich grinste kurz und bekam von dem herumschlagenden Holz einen
Hieb unterden Brustkorb. Ich glaubte, meine Knochenplatte sei
gebrochen. Eine Welle, direkt in meinen Rücken, kühlte den
Schmerz mit einem eisigen Schock und warf mich wieder vorwärts.
"Wie lange, denkst du!" schrie ich und schluckte
Salzwasser.
"... keine Ahnung, Zauberer!" verstand ich. Wir
schickten uns ins Unvermeidliche der Situation. Zwischen unseren
vierArmen befand sich der Hebel, und wir schafften es, ihn
einigermaßen gerade zu halten. Die AIV kroch einen Wellenberg
hinauf, verharrte dort einen Moment und kippte zu einer rasenden
Abwärtsfahrt hinunter. Wir starrten nach vorn und beobachteten
das Segel, das noch immer prall gespannt war. Alle
Besatzungsangehörigen befanden sich unter Deck. Ab und zu
stemmten die Arme eines unsichtbaren Mannes einen vollen Ledereimer
hoch, um ihn auf die Luvseite des Schiffes auszukippen.
Wirverloren nach einigen Stunden das Zeitgefühl.
Das Schiff gehorchte uns nur innerhalb eines engen Bereichs. Der
Sturm jagte uns in eine Richtung, die wirwederfeststellen noch
kontrollieren konnten. Nach einiger Zeit merkten wir nichts mehr -
alle Eindrücke verdichteten sich zu einer dauernden Belastung,
die einen gleichmäßigen, abstumpfenden Druck ausübte.
Die war die Gefahr! Wir verloren womöglich die Ahnung und das
Gespür für echte Gefahren, kritische Situationen und für
die Grenzen der Belastbarkeit von Menschen und Materialien, von
Besatzung und Schiff. Ich dachte irgendwann einmal kurz an Charsada
aber schon der nächste Brecher, der tückisch über
das Heck hereinbrach und uns fast vorn Ruder schleuderte, verjagte
diese Gedanken.,
"Tüchtiges Schiff, ja?" brüllte ich. Rajgirs
Bart war naß; Salzkristalle begannen sich überall
abzusetzen. Der Sturm kreischte nicht mehr, er heulte wie eine
Million hungrigerWölfe.
Hin und wieder krachte irgendwo in den schwarzen Wolken ein
furchtbarer, rollender Donnerschlag auf. Ich, glaubte, hinter der
Kulisse aus Grau und Schwarz lange, Blitze zu erkennen, oder genauer,
eine breitflächige Helligkeit, die sich zwischen Himmel und Meer
spannte.
Der Regen raste waagrecht über das Schiff dahin, die"
Schauer änderten ganz plötzlich ihre Richtung, kamen,' uns
ins Gesicht und bildeten in dem Segel kleine Vertiefungen.
"Wir überstehen es!" schrie Rajgir neben meinem
Ohr., Das Holz in unseren Händen schien zu leben. Es drückte
und schob, es wurde von den Wellen so stark bewegt, daß wir
beide es nicht halten konnten. Aber wir verminderten den Ausschlag
des Hebelarms.
War es noch Tag, oder hatte sich, unbemerkt von uns allen, schon
die Nacht gesenkt?
Wir trieben ziellos vor dem Sturm. Das Wasser hatte, sich in eine
einzige, weiß bewegte Fläche verwandelt. Es gab kein
grünes Wasser mehr, nur noch Schaum, Blasen,Spritzer und Gischt.
Immerwiederwurden wir geblendet: Die Augen brannten von dem salzigen
Wasser, das mit unerhörter Wucht in unsere wunde Gesichtshaut
gepeitscht wurde. Unsere Ohren dröhnten. Das Luftholen fiel
immer schwerer.
Wo war die Schwarze Göttin mit ihrem Schiff ?
Ich entdeckte ein höchst zwiespältiges Gefühl tief
in mir, überlagert von den Anstrengungen, nicht nurselbst zu
überleben. Dieses wahnsinnige Inferno machte mir irgendwie Spaß.
Ich fühlte, daß ich lebte, obwohl ich nicht nur ein
Werkzeug von ES, sondern jetzt auch ein Spielball der Elemente
geworden war. Die Gefahren tobten sich rund um uns aus, wir froren
und wurden vom Salzwasser geblendet, aber das alles vermittelte
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