PR TB 152 Der Stadtebauer
fragte ich in unserem
Dialekt., Ich wußte, welche Sprache - ungefähr! - in Uruk,
der Schwesterstadt, gesprochen wurde. Aber scheinbare Dummheit ist
bei einem Handel noch nie von Nachteil gewesen.
"Ich bin der Dolmetscher, der Freund fremder Wörter",
erklärte der kleine Mann. Seine Gestik war beredt, seine Augen
gingen umher wie kleine Webervögel.
"Dein Name?" fragte Shahi und lächelte ihn an.
Erwand sich vor Verlegenheit und erklärte schließlich:
"Ich bin To'Nino. Und ich bin ehrlich. Füreinejunge
Sklavin übersetze ich einen Mond lang."
Seelenruhig erklärte ich:
"Du wirst den dreißigsten Teil eines Mädchens
erhalten. Wir brauchen dich einen Tag lang."
Sie alle hier lebten vom Handel und seinen verwandten Zweigen. Sie
pflegten Schiffe, zimmerten Planken aus seltenen Hölzern von
fabelhaften Eigenschaften, nähten Segel und hatten die Kunst,
Schenken und Freudenhäuser zu betreiben, bis zur Perfektion
entwickelt. Von dem Augenblick, an dem ein Schiffdie Felsen bei
derAnkunft passierte und bis zu dem Moment, da es diese weithin
sichtbaren Geländemerkmale beim Verlassen des Hafens des
Hirsches hinter sich ließ - betrogen oder als Sieger beim
Geschäft! -, war für Schiff, Mannschaft und Handelsgut
bestens gesorgt. Tarama O'Vrec war eine Stadt der Halsabschneider und
Tagediebe, aber sie alle Waren ehrlich. Nur die Händler
versuchten unablässig,
einander-das Fell überdie Ohren zu ziehen. ich bereitete mich
auf ein interessantes Zwischenspiel vor, denn ich kannte den Wert
dieser unserer Waren.
To'Nino breitete beide Hände aus und spreizte die Finger.
Dann murmelte er in höllischem Tempo in die Richtung des
Händlers aus Mesopotamien gewisse Sätze, kicherte hohl,
gestikulierte und schwieg schließlich.
„Was sagt er?" fragte Shahi unruhig. Sie hielt einen
unserer Metallbecher in der Hand und trank Wein. Es war kurz nach der
kühlen Stunde des Sonnenaufganges! Unglaublich!
„Er sagt" sagte To'Nino bedauernd, "von diesem
Kauf läßt er lieber die Finger."
Er log herausfordernd. Der königliche Händler hatte eben
sein Interesse kundgetan. Der Übersetzer erklärte ihm, daß
unsere Waren so teuer wären, daß sie den Tempelschatz von
Ur einsetzen müßten. Ich wandte mich an den breit
grinsenden Übersetzer und sagte:
„Sage ihm, daß wir für diese Waren Kupferbarren
im gleichen Gewicht haben wollen."
Gleichzeitig nahm ich aus der Kiste einen Bronzebecher, der mit
bearbeiteten Halbedelsteinen verziert und mit Jagdszenen geschmückt
war. Wortlos schüttete Charsada aus einem unserer Krüge
eine größere Menge unseres Weines in das Prunkgefäß.
Ich reichte ihn direkt dem königlichen Händler aus dem Land
der zwei Ströme. Wieder schnatterte der Übersetzer.
"Sag ihm", wandte ich mich an diesen Schurken, daß
ich sicher bin, mit ihm handeln zu können. Kein Handel ohne
Freude. Ich entbiete ihm miteinem Trunkzugleich meine hoheAchtung."
Der Mann aus Ur hatte verstanden. Murmelnd unterhielt sich sein
schwarzbärtiges Gefolge. Deutlich erklärte er dem
Übersetzer, daß er sich freue, daß mein Ruf als Mann
der Ehre bis nach Ur gedrungen sei - was eine grobe, aber gutgemeinte
Schmeichelei war -, und daß er sicher sei, mit seinen Waren
mich reich zu beschenken. Im übrigen hätten sie besseres
Bier, als unser Wein es Wäre. "Was sagt er?" fragte
Shahi neugierig. Sie strahlte einen Musikanten, der gestern in der
Schenke ein virtuoses Stück aufeinem hölzernen
Schlaginstrument gespielt hatte, herausfordernd an.
"Er sagt", erklärte der Dolmetscher und deutete auf
den Mann aus Ur und auf mich, "daß ihn diese Händler
Kameradschaft an seine Zeit im Heer erinnerte."
"Sag ihm", meinte ich und verbarg ein Grinsen. "daß
ich von einem gewissen anderen Kapitän für eine bestimmte
Menge dieser schönen Dinge das Eineinhalbfache in Kupfer geboten
bekommen habe."
Er übersetzte, daß ich verärgert sei, daß
wir abreisen und in Ur direkt verkaufen würden, daß wir in
der Lage wären, Zeichen zu erkennen und das, was wir sprechen,
niederschreiben zu können, und wenn er, der Mann aus Ur, ihm
eine Perlenkette schenken würde, daß er mir sagen würde,
derWein wäre ein Geschenk der Sonne. Über den Preis sollten
wir heute abend bei den Tänzerinnen und den Flötenspielern
sprechen.
Der Händler aus Ur sagte wörtlich:
"Der Wein ist gut. Der Becher ist ein Kunstwerk. Ich will für
das Elfenbein das Doppelte in Kupfer geben. Und wenn er mir die Frau
neben ihm, mit dem Schmuck auf der Brust
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