PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
mußte. Er handelte wie unter Zwang. Ein
Rasender, dessen Weg steil und ununterbrochen aufwärts geführt
hatte in die Richtung seiner Träume und Visionen. Er war
unvollkommen, aber ihn erfüllte eine ungeheure Kraft.
„Noch niemals habe ich einen Mann wie dich getroffen!"
sagte sie leise. „Du glühst innerlich von einem
verzehrenden Feuer. Wo ist dein Ziel?" Er legte seine Arme um
sie und preßte sie an sich. „Du bist mein Ziel. Heute
nacht und in allen anderen Nächten. Ich bin gesund und stark.
Zusammen werden wir die Welt erobern!"
„Und wenn wir sie erobert haben, sind wir steinalt und krank
und wissen nicht, was wir mit der Eroberung anfangen sollen."
Sharrukin hob den Krug, goß funkelnden Wein in die Pokale
und blieb dicht hinter Kar-shattar stehen. Unbezähmbare
Leidenschaft und Selbstmitleid packten ihn.
„Du mußt bleiben, hörst du? Ich habe zwei Söhne,
von unwichtigen Frauen. Und ein paar Töchter, Ishtar verdamme
sie!"
Sie nahm den Wein und drehte sich herum. Über dem Teich, in
dessen schwarzem Wasser Seerosen schwammen, erhob sich die
messerscharfe Mondsichel. Seine schwarzen Augen ließen sie
nicht los. Er war stark, wild und unaufhaltsam.
Auch jetzt, als er sie an sie riß und küßte.
„Wirst du ihn vergessen?" stöhnte Sharrukin
plötzlich auf.
Sie wußte, daß er Attalan-shar meinte. Mit klagender
Stimme fragte sie:
„Ich soll ihn vergessen? Ich kenne ihn kaum. Ich brauche ihn
nicht zu vergessen. Aber du mußt ihn als Freund gewinnen. Er
ist der klügste Mann, den ich kenne."
„Ich bin der beste Mann, den du kennst. Und der stärkste,
der mächtigste."
„Ja. Attalan ist der klügste, sage ich."
Sie hoffte, daß Sharrukin der feste Punkt war, den sie
suchte und brauchte, wenn sie weiterleben wollte. Sharrukin war
sicher, daß sie an seiner Seite ihm die innere Ruhe schenken
würde, die er brauchte. Er hob sie auf seine Arme und trug sie
zu der Anhäufung von Fellen in der Mitte des Raumes. Sie
umarmten sich leidenschaftlich.
Am nächsten Morgen hatte sie eine halbe Gewißheit.
Trotz der Stärke und seiner überzeugenden Persönlichkeit
war Sharrukin ein hilfloses Kind, das keinen Widerspruch duldete,
beim geringsten Schmerz winselte wie ein getretener Hund, voller
Ungeduld, grausam, von einem kaum zu übertreffenden
Leistungswillen beherrscht, ein Widerspruch in sich selbst. Er
brauchte ununterbrochen die Bewunderung eines Menschen, von dem er
wußte, daß er kein Abhängiger war. Sein ganzes Leben
hatte Sharrukin vor dem Mißerfolg gezittert. Deshalb hatte er
bisher noch keinen Mißerfolg gehabt.
Der erste Mißerfolg würde das Land Akkad vernichten.
Kar-shattar drehte sich herum, stützte sich auf den linken
Ellenbogen und betrachtete Sharrukin. Er sah aus wie ein trotziges
Kind. Nicht einmal im Schlaf fand er Ruhe. Er war ununterbrochen
gespannt wie eine Bogensehne. Woher nahm er diese Kraft? Sie griff
nach dem Pokal und trank einen Schluck Wein. Draußen war das
kühle Licht kurz nach der Morgendämmerung.
Zahme Enten schnatterten in den Binsen.
Ein Hund bellte, in der Wüste schrie donnernd ein Löwe.
Kar-shattar fühlte die wohltuende Mattigkeit nach einer Nacht
voller Leidenschaft. Sie hatte das Gefühl, als habe sie eine
Einzelheit übersehen oder vergessen, die über Leben und
Tod, Glück oder unvermeßliches Unglück entscheiden
würde.
Die Sonne war es, die mich blendete und weckte. Sie strahlte als
riesige rote Scheibe durch den weißen Vorhang. Ich war
ausgeschlafen, aber ich blieb liegen und dachte nach. Der
Zellschwingungsaktivator, der verkleidet als Bronzeschmuck auf meiner
Brust lag, hatte, verbunden mit einem tiefen und langen Schlaf der
Erschöpfung, mir alle Kräfte zurückgegeben.
Die Unmenge von Erinnerungen und Informationen, die ich empfangen
hatte, war verarbeitet worden. Ich war fähig, mich innerhalb des
Reiches Akkad souverän zu bewegen. Meine gesamte Ausrüstung
lag hier im Zimmer - nur die Steuerung der Robotlöwin nicht.
Sharrukin will dich sprechen. Er wird dir genau die Aufgaben
zuweisen, die ES angesprochen hat, erinnerte mich der Logiksektor.
Rhai-ghur würde mir helfen, mich unterstützen, wo immer
es nötig war. Kar-shattar mußte ich vergessen. Ich hatte
sie niemals wirklich gekannt, beziehungsweise waren die Erinnerungen
an die junge, auffallend schöne Frau von ES blockiert worden.
Menschen oder Dinge, an die man keine Erinnerungen hatte, blieben
ohne Bezug; ihr Verlust konnte mich nicht schockieren.
Die Karawane würde
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