PR TB 156 Der Löwe Von Akkad
es
willst: ich will der Freund des Königs sein."
„Ich brauche Freunde", sagte er. Plötzlich schlug
seine bittende Stimme um und wurde mißtrauisch. „Jeder
Herrscher ist einsam und braucht Menschen, denen er vertrauen kann."
„Der erste sitzt neben dir!" bemerkte mein Freund und
deutete auf Kar-shattar. „Wir könnten die anderen sein. Du
brauchst keine Angst zu haben, daß wir dich von deinem Thron
stürzen, denn Regieren ist langweilig. Wir wollen es nicht.
Richtig, Atlan?"
„Richtig, Rhai!" Ich nickte und lächelte. „Über
die Bedingungen können wir in Akkade sprechen, Herrscher. Unter
vier Augen, von Mann zu Mann."
Der Mann, der zuerst Kish erobert, dann die Macht der sumerischen
Stadtkönige von Uruk, Ur, Eninmar, Lagash, Umma und Esch-nunna
gebrochen hatte, der angeblich vierunddreißig Schlachten
geschlagen hatte, um den König Lugalzagesi in der Nackengabel
vor dem Enliltempel von Nippur zur Schau stellen zu können,
dieser Mann sprang auf, warf sich förmlich wie ein Löwe die
Stufen hinunter und blieb mit ausgestreckten Armen vor uns stehen.
„Ich fühle es!" flüsterte er. „Ich
fühle es deutlich! Endlich hat Ishtar, die meine Träume
kennt, meine Wünsche und Gebete erhört. Ich habe Freunde.
Ich habe euch! Geht jetzt! Ich werde für alles sorgen. Ich
schicke euch Tanura, meinen Verwalter. Er wird tun, was zu tun ist.
Wir treffen uns in drei Monden in Akkade! Ihr sollte alles haben, was
ihr braucht. Alles!" Kar-shattar saß da wie aus Stein
gehauen, schwieg und betrachtete die drei Männer unter ihr. Der
Herrscher und wir beide tauschten Händedrücke aus, indem
wir jeweils das rechte Handgelenk mit den Fingern umfaßten;
eine traditionelle Geste.
Dann sagte ich leise:
„Vertraue auf Kar-shattar. Sie ist die beste Frau, die du
finden konntest, Sharrukin!"
„Ich weiß!" sagte er. „Geht zurück in
das Haus. Seht euch die Stadt an. Tanura wird eure Wünsche
aufschreiben. Er wird alles regeln zwischen den Grenzen des Landes
Akkad, wie er es schon immer getan hat."
Ich grüßte hinauf zu Kar-shattar. Sie senkte den Kopf
und schien zu lächeln, aber sie machte keineswegs den Eindruck,
als sei sie glücklich oder hätte den inneren Frieden
gefunden. Wir verließen den Palast, besuchten die Karawane und
trafen dann, nach einem Rundgang durch die Stadt, Tanura. Der
Ratgeber des Königs entpuppte sich als alter, kluger Mann, der
mit den Jahren an der Seite Sharrukins zwar sarkastisch, mitunter
zynisch geworden war, aber keineswegs korrupt schien. Wir
unterhielten uns lange mit ihm, und er schreib alles auf. Er
versprach uns auch zwei Führer, die uns von Esch-nunna nach
Akkade bringen sollten. Er selbst kam im Wagen nach.
Am Abend, als wir wieder auf der Terrasse saßen und uns von
hübschen Sklavinnen bedienen ließen, sagte nach einem
zurückhaltenden Aufstoßen Rhai-ghur:
„Es scheint, daß wir mit des Königs Freundschaft
keinen schlechten Tausch gemacht haben, wie?"
Ich wußte mehr, aber ich erwiderte:
„Auf alle Fälle werden wir seinen Weg der Siege ein
paar Jahre lange begleiten. Es wird ein interessantes Leben. Aber
kein schönes, fürchte ich."
5.
IN DER MASKE DES KÖNIGLICHEN BAUMEISTERS: Vierundzwanzig Hufe
trommelten auf den festgebackenen Lehm. Wir ritten nebeneinander,
selbst die zwei Packpferde hatten aufgeschlossen. Hinter uns bildete
sich eine breite gelbe Staubwolke. Die schmale Zone des Sandes
zwischen den grünen Großkreisen von Esch-nunna und Akkade
schien ohne tierisches und pflanzliches Leben zu sein, aber überall
sahen wir die Spuren von Kanälen, Brücken und anderen
Arbeiten. Das Land, das wir nach einigen Stunden scharfen Rittes
erreichten, war wieder typisch für jene tiefgelegenen, manchmal
morastigen Ufemiede-rungen. Es war reich und strotzte vor Leben.
„Wie weit noch?" schrie ich nach rechts hinüber.
Es wurde immer wärmer. Mein weißer Mantel mit der Borte
aus Goldstickerei schlug schwer auf die Kruppe des getigerten
Hengstes.
Der königliche Bogenschütze, Wagenlenker und
Rennochsenreiter, schrie zurück:
„Heute abend sind wir in Akkade, Herr!"
Ich hatte mein Haar kürzen lassen und meinen Bart geschoren;
mein Gesicht war jetzt glatt. Ich sah ganz anders aus. Und wenn der
Farbstoff aus meinem Haar gebleicht war, würde die neue Maske
vollkommen sein. Mit dem Beruf hatte ich auch die alte Identität
abgestreift. Jetzt war ich der königliche Baumeister und
Rhai-ghur sein Helfer und Freund. Es war knapp nach Mittag. Zehn Tage
hatten wir
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